Schule – Kasernen zum Lernen

HomeschoolingUm 8 Uhr morgens meldet ein akustisches Signal, dass sich alle auf ihre Plätze zu begeben haben, frisch gewaschen und gekämmt. Nun beginnt der Drill.

Die Einheiten bestehen aus ca. zwanzig bis dreißig Personen pro Kommandant. ABC-Schützen haben meistens den gleichen Kommandanten, ältere Rekruten bekommen alle 45 Minuten einen neuen Befehlshaber, um die Anpassungsfähigkeit zu verbessern.

Während der Ausbildungsstunden ist Sprechen verboten. Geräusche aller Art werden als Störung verurteilt. Daher ist es besser sich möglichst wenig zu bewegen. Die zu Erziehenden schleppen ihre schwere Ausrüstung auf dem Rücken oder in der Hand mit sich.
Der Drill funktioniert nach folgendem Schema: Der Kommandant macht etwas vor und die Rekruten imitieren es möglichst genau. Das Ziel ist perfekte Imitation.

Das wird so lange geübt, bis alle uniform das Gleiche sagen, schreiben oder zur exakt gleichen Lösung kommen.

Nach 45 Minuten ertönt wieder das akustische Signal und die Auszubildenden dürfen sich bewegen, miteinander sprechen, etwas Essen und Trinken und zur Toilette gehen. Nach fünf, zehn oder maximal zwanzig Minuten geht der Drill weiter.

Während des Drills ist es nicht erlaubt, persönlichen Bedürfnissen nachzukommen, wir üben schließlich für den Ernstfall, das „Leben“.

Zehn, zwölf Jahre dieser Eintönigkeit, indoktriniert mit der Ideologie eines Gewaltsystems, abgehärtet durch Mobbing, ungerechte Noten so wie die Angst vorm Zeugnis, und die Kämpfer sind fit, um ins Feld zu ziehen, – in die Welt zu ziehen.

Dort müssen sie beim Konkurrenz- und Existenzkampf zeigen was sie gelernt haben. Ellbogenmentalität ist von Vorteil, auch Durchsetzungskraft und Gefühllosigkeit – kein Erbarmen mit dem Feind – es ist Krieg!

Wer selbst Befehle geben möchte, meldet sich zum freiwilligen Dienst in der individualen universalen Elite-Kaserne, ein Camp (lateinisch campus), wo den jungen Menschen auch noch das letzte bisschen Eigensinn ausgetrieben wird. Aber das merken sie bereits nicht mehr.

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Zum Bild oben: „Free range kid“ ist der Slogan von lifelearning.org (gibt’s auf T-Shirts etc.) einer Seite für Homeschooling und bedeutet „freilaufendes“ Kind, also „Freilandhaltung“, eine Entsprechung zu freilaufenden Tieren. Die deutsche Regierung erlaubt Homeschooling nicht.

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Gegenmaßnahme:
Magazin unerzogen

Das Magazin „unerzogen“

Das unerzogen Magazin informiert über Bildungsfreiheit, selbst- bestimmtes Lernen und Aufwachsen sowie über den respektvollen Umgang mit Kindern. Ein grosser Teil des aktuellen Heftes behandelt die Themen Schule und Demokratie sowie Unschooling, das Lernen ohne Schule.

4 Kommentare

  • Sylvia

    Ein patriarchales System konnte auch nur diese Form des Lernens hervorbringen – wie alles im Patriarchat geprägt von Zwang, Kampf und Drill. Dramatisch ist, und die Folgen bekommen wir bereits zu spüren, dass seit Generationen in Schulen Menschen herangezogen werden, die zwar über eine Menge formales Wissen verfügen, und vor allem zu beachtlichen Lern-Leistungen fähig sind – denen es jedoch parallel an Menschlichkeit, sozialer Kompetenz und vor allem Empathie fehlt.

  • Johanna

    Das aktuelle Heft ist mittlerweile Heft Nr. 1 (das abgebildete war Nr. 0) und schon online als PDF. In diesem ist der Schwerpunkt "Kinderrechte", weitere Themen bleiben (demokratische/freie) Schulen, Gleichberechtigung mit Kindern (theoretisch & praktisch). Die Printversion kommt voraussichtlich innerhalb der nächsten 5 Tage

  • "Das wird so lange geübt, bis alle uniform das Gleiche sagen, schreiben oder zur exakt gleichen Lösung kommen."

    Was mir schon vor längerem mal aufgefallen ist, sind sozusagen "nationale Schreibstile", welche individuelle Handschriften zum Teil deutlich überlagern, also z. B. ein "deutscher" Handschriften-Stil, ein "französischer" Handschriften-Stil usw. Das liegt sicher daran, daß eben alle Kinder innerhalb eines Landes nach den immer gleichen Anleitungen die Schreibschrift zu erlernen haben (und da gibt es z. B. bereits zwischen der österreichischen und der deutschen Ausgangsschrift leichte Unterschiede).

    Auch ist es zum Leidwesen vieler Schüler so, daß für eine Matheaufgabe nur dann die volle Punktzahl vergeben wird, wenn exakt der Lösungsweg verwendet wird, der zuvor der ganzen Klasse gelehrt wurde. Die richtige Lösung auf einem anderen/eigenen Weg zu finden, wird oft mit Punkteabzug bestraft.

    "Während des Drills ist es nicht erlaubt, persönlichen Bedürfnissen nachzukommen, wir üben schließlich für den Ernstfall, das „Leben“."

    Mein Sohn durfte tatsächlich in der zweiten Klasse Grundschule (die einzige Zeit, die er in einer "normalen" Schule verbrachte) nicht während der Unterrichtsstunden zur Toilette gehen. Unglaublich, solch ein Drill schon für die ganz jungen Schüler!

    Immerhin durften die Kinder (den Erkenntnissen über die Wichtigkeit ausreichender Flüssigkeitszufuhr wurde Respekt gezollt!) während der Schulstunden Getränke auf ihren Tischen stehen haben und auch zu sich nehmen. Aber auch da regiert der Grundsatz: Es gilt immer für alle das Gleiche. Also, wenn mal jemand auffällig wenig trinkt oder gar kein Trinken von zu Hause mitbringt, dann ist das auch schon wieder verdächtig …

    Das sind so ein paar Gedankenfacetten von mir zu den Lern-Kasernen, aber zum Glück entstehen ja auch in Deutschland, wenn auch langsam und zäh, statt Lern-Kasernen allmählich neue Bildungs-Orte (z. B. Schulen nach dem Sudbury-Valley-Modell oder nach Wild). Und es gibt – allen Widrigkeiten zum Trotz – diejenigen, die sich ohne Schulbesuch bilden!

  • Helena

    in diesem Schulsystem wird Kindern auch noch der letzte Spaß am lernen verdorben. Beispiel Texte schreiben: in der Grundschule schreiben die meisten Kinder noch gerne selbsterfundene Geschichten, später sind die Schüler von so etwas nur noch genervt, weil, sie schon die schlechte Erfahrung gemacht haben, dass so etwas für die Noten nicht relevant ist und es in der Schule sowieso nicht um Spaß oder etwas wirkliches Lernen geht, sondern nur um vorzeigbare Noten auf dem Zeugnis. Schüler, die eine eigene Meinung vertreten, die von dem abweicht, das in einem Erwartungsorizont steht, werden von den Lehrern schnell abgewürgt. auch von angepassten Schülern wird man für komisch gehalten, wenn man aus Interesse über den lehrplan hinausgehen will. und bei jedem Thema wird gefragt, ob das denn für die nächste Arbeit relevant ist, und nach der Arbeit ist schnell alles vergessen. Ergebnis nach 13 Jahren Schule ist also nichts außer dass das Interesse am selbstständigen Lernen vergangen ist. Das ist so traurig, wenn man sieht, wie lernbegeistert ganz kleine Kinder sind.