Embera-Ureinwohner: Im Einklang mit Natur und Tradition und doch modern

Embera UreinwohnerIch weiß nicht, wie oft ich es schon mit immer wieder anderen Worten ausgedrückt habe: Naturvölker, die ihre Lebensweise bewahren konnten, sind stabil, weil sie sich neuen Gegebenheiten sehr rasch anpassen. Die „Zauberwörter“ heißen:

  • Integrationsfähigkeit
  • Konsensfähigkeit
  • in Einklang mit der Natur
  • Hüter der Tradition

Da kann nichts schief gehen – es sei denn, es kommt Druck von außen… (Kolonialisten, Missionare … das Patriarchat lässt grüßen).

Heute wollen wir uns die Emberá anschauen. Die Fahrt geht den Rio Chagras (Panama) hinauf, zu den Emberá-Indianern, die sich der Moderne nicht verweigern, aber im Einklang mit der Natur und ihren Bräuchen leben wollen. Ihr Siedlungsgebiet ist geschützt. Denn ohne das Wasser des Rio Chagres würden die Schleusen des Panama-Kanals nicht funktionieren…

Aus einem Reisebericht über die Emberá:

Serbelio zählt über 70 Jahre, vielleicht 75, vielleicht sogar 80. Er weiß es nicht. Was Serbelio aber weiß, kann Leben retten: Er ist der Botaniker im Emberá-Dorf. Tiefer im Dschungel sucht er nach wichtigen Pflanzen. „Dieses Kraut hilft gegen Schlangenbisse. Aber es muss schnell angewendet werden.“ Das Gift der Schlangen stellt die größte Gefahr für die Emberá dar. „Es gibt ein paar Jaguare hier, aber die tun niemandem was.“

Serbelio ist also der Schamane oder Medizinmann.

Jeder der Männer verfügt über ein gewisses Grundwissen, was Jagen, Fischen und die Botanik angeht. „Der Vater gibt seine Kenntnisse an den Sohn weiter. Der Sohn, der Bescheid weiß, kann im Notfall das Leben des Vaters retten“, meint Serbelio. Danach kann sich der Heranwachsende spezialisieren.

Das ist die Art der Wissensvermittlung in indigenen Gesellschaften: Die Schule (des Lebens).

Während die Männer fischen und jagen, kochen die Frauen und versorgen die Kinder. Doch den Dorfchef, den Noko, wählen alle gemeinsam. Er regelt, wenn es sein muss, auch ihre Angelegenheiten in Panamá City. „Wenn er keinen guten Job macht, wird er wieder abgesetzt“, sagt Serbelio.

„Wählen alle gemeinsam“ bedeutet: Entscheidung im Konsens. Es gibt keine Wahlen, wie bei uns, noch nicht mal ein Wort dafür (vgl. Wie fehlende Worte das Weltbild spiegeln). Denn es gibt keine Herrschaft oder Hierarchie.

Im Gegensatz zu dem schwierigen Paarungsverhalten der hochzivilisierten Welt geht es bei den Emberá eher unkompliziert zu. „Ich sehe eine Frau und weiß: Sie ist gut“, meint Neldo, Yarielas Mann, der an der Feuerstelle auftaucht. Yariela meint lakonisch: „Wenn es mal nicht funktioniert, trennen sie sich eben.“

Wir haben auch ein Wort dafür: Lebensabschnittspartner. Indigene in Stammesgesellschaften sind nicht promiskuitiv. Manche Paare bleiben ein Leben lang zusammen. Andere verlieben sich immer wieder neu und bleiben solange beieinander, wie es dauert. Die Kinder suchen sich innerhalb der Gemeinschaft ihre Bezugspersonen selbst. Auch hier wechseln und verändern sich die Beziehungen. Biologische Mutter- oder Vaterschaft spielen keine Rolle.

Vor rund 30 Jahren ist die Dorfälteste, Segundina, mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann aus dem Darién nahe Kolumbien zum Río Chagres gezogen.

Die Dorfälteste wird, wie alle Ältesten (männlich und weiblich), wegen ihrer natürlichen Autorität respektiert. Diese Autorität entsteht aus Erfahrung, Vertrauen, Weisheit und Kompetenz. Deshalb werden Älteste als Ratgeber gebraucht und geschätzt. Sie haben etwas zu bieten, über das die Jüngeren (noch) nicht verfügen.

Die Emberá haben sich bewusst für dieses einfache Leben hier draußen entschieden. Einige von ihnen haben schon in Panamá City gearbeitet oder studiert. Aber alle sind wieder zurück gekommen.

Diese Tatsache wird immer wieder von Leuten angezweifelt, die mit der indigenen Sozialstruktur wenig vertraut sind. Seit ich im Internet über Ureinwohner schreibe (ab 2000), wird am wenigsten geglaubt, dass indigene Menschen schnell von der „Zivilisation“ genug haben und in ihre Gemeinschaft zurück kehren. Und für ihren Lebensstil kämpfen – auf Leben und Tod.

Genauso häufig kann man darüber in Berichten über Naturvölker lesen. Es müsste also bekannt sein. Wird es „überlesen“, ausgeblendet, weil man dann mit der Frage des Warum konfrontiert wäre, in unserer großartigen patriarchalen Zivilisation?

Das „Warum“ ist einfach zu verstehen:

„Hier gibt es keine Autos, keine Diebe“, erklärt Yariela. Die Emberá fühlen sich sicher und wohl im Wald. Sie fühlen den Frieden hier – zwischen den Vogelrufen, den zirpenden Grillen und dem Rauschen des Río Chagres. Das Leben ist langsam hier. Langsam wie ein Schildkröte. Doch Schildkröten leben lange.

*

Bei PHOENIX
Sonntag, 25. Mai 2008 um 5:15 h
Wiederholung: Freitag, 6. Juni, 2008 um 6:00 h

Foto: Rita Willaert

25 Kommentare

  • Liebe Hannelore,
    der Gedanke, dass Kinder sich Ihre Bezugspersonen selbst suchen ist interessant. Wievielen Kindern bliebe bei uns das Schicksal einer lieblosen Kindheit erspart, wenn sie das in der BRD auch dürften. Toller Post. Danke

  • Liebe Hannelore,
    der Gedanke, dass Kinder sich Ihre Bezugspersonen selbst suchen ist interessant. Wievielen Kindern bliebe bei uns das Schicksal einer lieblosen Kindheit erspart, wenn sie das in der BRD auch dürften. Toller Post. Danke

  • Liebe Hannelore,
    der Gedanke, dass Kinder sich Ihre Bezugspersonen selbst suchen ist interessant. Wievielen Kindern bliebe bei uns das Schicksal einer lieblosen Kindheit erspart, wenn sie das in der BRD auch dürften. Toller Post. Danke

  • Aileen

    Hallo,
    ich muss sagen, ich finde das alles sehr interressant. Besonders dass Kinder sich ihre Bezugspersonen selbst auswählen klingt sehr gut. Ich denke dass dies sehr vieles erleichtert. Unter anderem den -wie ich denke- oft sehr spannungsgeladenen Ablösungsprozes.
    Kommt diese Sendung morgen?
    Wirklich guter Blog! Bin gerade erst darauf gestoßen, muss aber sagen dass er mit wahrlich gefällt!
     

  • Aileen

    Hallo,
    ich muss sagen, ich finde das alles sehr interressant. Besonders dass Kinder sich ihre Bezugspersonen selbst auswählen klingt sehr gut. Ich denke dass dies sehr vieles erleichtert. Unter anderem den -wie ich denke- oft sehr spannungsgeladenen Ablösungsprozes.
    Kommt diese Sendung morgen?
    Wirklich guter Blog! Bin gerade erst darauf gestoßen, muss aber sagen dass er mit wahrlich gefällt!
     

  • Aileen

    Hallo,
    ich muss sagen, ich finde das alles sehr interressant. Besonders dass Kinder sich ihre Bezugspersonen selbst auswählen klingt sehr gut. Ich denke dass dies sehr vieles erleichtert. Unter anderem den -wie ich denke- oft sehr spannungsgeladenen Ablösungsprozes.
    Kommt diese Sendung morgen?
    Wirklich guter Blog! Bin gerade erst darauf gestoßen, muss aber sagen dass er mit wahrlich gefällt!
     

  • Hannelore

    @ Aileen:

    Einen Ablösungsprozess (schreckliches Wort) in unserem Sinn gibt es in den Konsensgesellschaften nicht. Das natürliche Streben nach Unabhängigkeit ist biologisch geregelt und beginnt sofort nach der Geburt. Details dazu gibt es in meinem Ebook: Am Anfang war die Lust

  • Hannelore

    @ Aileen:

    Einen Ablösungsprozess (schreckliches Wort) in unserem Sinn gibt es in den Konsensgesellschaften nicht. Das natürliche Streben nach Unabhängigkeit ist biologisch geregelt und beginnt sofort nach der Geburt. Details dazu gibt es in meinem Ebook: Am Anfang war die Lust

  • Hannelore

    @ Aileen:

    Einen Ablösungsprozess (schreckliches Wort) in unserem Sinn gibt es in den Konsensgesellschaften nicht. Das natürliche Streben nach Unabhängigkeit ist biologisch geregelt und beginnt sofort nach der Geburt. Details dazu gibt es in meinem Ebook: Am Anfang war die Lust

  • Hannelore Vonier

    @ richard:

    Ja, die Begriffe im Patriarchat sind ein wichtiger Punkt. Sie sind alle besetzt und müssten jedesmal erklärt/definiert werden.

    Im Zusammenhang mit matriarchalen Gesellschaften spreche ich daher nie von „Autoritäten“ als Personen, denn diese Sprachbedeutung gibt es nur im Patriarchat (Pluralbildung ist möglich: eine Autorität, viele Autoritäten).
    Ich sage stattdessen: jemand hat „Autorität“ (nur Singular) und setze noch das Adjektiv ’natürlich‘ hinzu.

    Autorität kommt von lateinisch auctoritas „Einfluss, Geltung, Ansehen, Würde, würdevolle Haltung, sittlicher Ernst“. Und so wird es auch in unserem System verwendet, im Zusammenhang mit einem Verb wie „haben, besitzen, eigen sein“.

  • richard

    Ich würde das Wort Autorität nicht benutzen. Autorität bedeutet Macht und Zwang.

  • richard

    Ich würde das Wort Autorität nicht benutzen. Autorität bedeutet Macht und Zwang.

  • richard

    Ich würde das Wort Autorität nicht benutzen. Autorität bedeutet Macht und Zwang.

  • Hannelore Vonier

    @ richard:

    Ja, die Begriffe im Patriarchat sind ein wichtiger Punkt. Sie sind alle besetzt und müssten jedesmal erklärt/definiert werden.

    Im Zusammenhang mit matriarchalen Gesellschaften spreche ich daher nie von „Autoritäten“ als Personen, denn diese Sprachbedeutung gibt es nur im Patriarchat (Pluralbildung ist möglich: eine Autorität, viele Autoritäten).
    Ich sage stattdessen: jemand hat „Autorität“ (nur Singular) und setze noch das Adjektiv ’natürlich‘ hinzu.

    Autorität kommt von lateinisch auctoritas „Einfluss, Geltung, Ansehen, Würde, würdevolle Haltung, sittlicher Ernst“. Und so wird es auch in unserem System verwendet, im Zusammenhang mit einem Verb wie „haben, besitzen, eigen sein“.

  • Hannelore Vonier

    @ richard:

    Ja, die Begriffe im Patriarchat sind ein wichtiger Punkt. Sie sind alle besetzt und müssten jedesmal erklärt/definiert werden.

    Im Zusammenhang mit matriarchalen Gesellschaften spreche ich daher nie von „Autoritäten“ als Personen, denn diese Sprachbedeutung gibt es nur im Patriarchat (Pluralbildung ist möglich: eine Autorität, viele Autoritäten).
    Ich sage stattdessen: jemand hat „Autorität“ (nur Singular) und setze noch das Adjektiv ’natürlich‘ hinzu.

    Autorität kommt von lateinisch auctoritas „Einfluss, Geltung, Ansehen, Würde, würdevolle Haltung, sittlicher Ernst“. Und so wird es auch in unserem System verwendet, im Zusammenhang mit einem Verb wie „haben, besitzen, eigen sein“.

  • Axel F.

    Hallo !
    Leider ist der moderne Mensch viel zu viel Luxus gewöhnt um die Ureinwohner zu verstehen. Egel um welche Ureinwohner es geht, ich denke das die noch am humansten zu ihrer Umwelt sind. Neulich habe ich in der Bildzeitung einen Artikel gelesen das ein unbekannter Stamm entdeckt worden ist. Diese Menschen sind denke ich mal vor ihrer Entdeckung zufriedener gewesen. Jetzt wo die Stelle bekannt geworden ist werden die bestimmt AUSSPIONIERT und das glückliche Leben wird vorbei sein.
    Gruß Axel

  • Hannelore

    @ Axel F.:

    ja, die werden ausspioniert, besonders von Pharmafirmen, die sich die umfassenden medizinischen Kenntnisse Eingeborener unter den Nagel reißen, ein Medikament mit bestimmten Pflanzen herstellen und es patentieren lassen.
    Und das Größte: Es ist einer Frau, wie z.B. in Indien üblich, verboten, bestimmte Heilkräuter im Hausgarten anzubauen und für ihre Familie zu verwenden. Sie ist – dank Patent – verpflichtet das teure Medikament zu kaufen, mit den gleichen Inhaltsstoffen. Das kann sie sich nicht leisten, also bleiben die Kinder krank oder die Frau wird bestraft.

  • Axel F.

    Hallo !
    Leider ist der moderne Mensch viel zu viel Luxus gewöhnt um die Ureinwohner zu verstehen. Egel um welche Ureinwohner es geht, ich denke das die noch am humansten zu ihrer Umwelt sind. Neulich habe ich in der Bildzeitung einen Artikel gelesen das ein unbekannter Stamm entdeckt worden ist. Diese Menschen sind denke ich mal vor ihrer Entdeckung zufriedener gewesen. Jetzt wo die Stelle bekannt geworden ist werden die bestimmt AUSSPIONIERT und das glückliche Leben wird vorbei sein.
    Gruß Axel

  • Axel F.

    Hallo !
    Leider ist der moderne Mensch viel zu viel Luxus gewöhnt um die Ureinwohner zu verstehen. Egel um welche Ureinwohner es geht, ich denke das die noch am humansten zu ihrer Umwelt sind. Neulich habe ich in der Bildzeitung einen Artikel gelesen das ein unbekannter Stamm entdeckt worden ist. Diese Menschen sind denke ich mal vor ihrer Entdeckung zufriedener gewesen. Jetzt wo die Stelle bekannt geworden ist werden die bestimmt AUSSPIONIERT und das glückliche Leben wird vorbei sein.
    Gruß Axel

  • Hannelore

    @ Axel F.:

    ja, die werden ausspioniert, besonders von Pharmafirmen, die sich die umfassenden medizinischen Kenntnisse Eingeborener unter den Nagel reißen, ein Medikament mit bestimmten Pflanzen herstellen und es patentieren lassen.
    Und das Größte: Es ist einer Frau, wie z.B. in Indien üblich, verboten, bestimmte Heilkräuter im Hausgarten anzubauen und für ihre Familie zu verwenden. Sie ist – dank Patent – verpflichtet das teure Medikament zu kaufen, mit den gleichen Inhaltsstoffen. Das kann sie sich nicht leisten, also bleiben die Kinder krank oder die Frau wird bestraft.

  • Hannelore

    @ Axel F.:

    ja, die werden ausspioniert, besonders von Pharmafirmen, die sich die umfassenden medizinischen Kenntnisse Eingeborener unter den Nagel reißen, ein Medikament mit bestimmten Pflanzen herstellen und es patentieren lassen.
    Und das Größte: Es ist einer Frau, wie z.B. in Indien üblich, verboten, bestimmte Heilkräuter im Hausgarten anzubauen und für ihre Familie zu verwenden. Sie ist – dank Patent – verpflichtet das teure Medikament zu kaufen, mit den gleichen Inhaltsstoffen. Das kann sie sich nicht leisten, also bleiben die Kinder krank oder die Frau wird bestraft.

  • Axel F.

    Hallo !
    Ich denke mal das wenn die ersten Weißen den Boden dort betreten haben, werden dort auch Krankheiten eingeschleppt die diese noch nicht kannten. So war es doch immer bisher, erst wird der Stammeshäuptling bestochen und schon hat man das Volk unterjocht, ausgebeutet und dessen Wissen sich angeeignet. Irgendwann löscht der Mensch sich selbst aus durch sein egoistisches Denken und Handeln.
    Gruß Axel

  • Axel F.

    Hallo !
    Ich denke mal das wenn die ersten Weißen den Boden dort betreten haben, werden dort auch Krankheiten eingeschleppt die diese noch nicht kannten. So war es doch immer bisher, erst wird der Stammeshäuptling bestochen und schon hat man das Volk unterjocht, ausgebeutet und dessen Wissen sich angeeignet. Irgendwann löscht der Mensch sich selbst aus durch sein egoistisches Denken und Handeln.
    Gruß Axel

  • Axel F.

    Hallo !
    Ich denke mal das wenn die ersten Weißen den Boden dort betreten haben, werden dort auch Krankheiten eingeschleppt die diese noch nicht kannten. So war es doch immer bisher, erst wird der Stammeshäuptling bestochen und schon hat man das Volk unterjocht, ausgebeutet und dessen Wissen sich angeeignet. Irgendwann löscht der Mensch sich selbst aus durch sein egoistisches Denken und Handeln.
    Gruß Axel

  • Pingback: Maya S Welten - Art in Dialog