Beschreibung des Patriarchats? 4 Worte reichen

„Suna – Die türkische Patriarchin“ heißt eine kommende Sendung bei 3SAT. Die Programmbeschreibung:

Politikerin, Großgrundbesitzerin und Familienoberhaupt: Als Patriarchin in Südostanatolien, wo Männer das Sagen haben und Frauen gehorchen, ist Suna Kepolu eine Sensation.

Ohne Kopftuch und mit einer Zigarette in der Hand ist Suna Kepolu allein äußerlich schon eine außergewöhnliche Erscheinung in der südostanatolischen Provinz. Wer dann noch ihren Titel hört ist mehr als überrascht.

In einer Region, in der die Männer den Frauen ihre Rechte vorenthalten, hat sie das scheinbar Unmögliche erreicht: Sie ist eine weibliche Aga, eine der reichen Großgrundbesitzer, deren Wort mehr Gewicht hat als die Gesetze aus dem weit entfernten Ankara.

Nach dem Tod ihres Vaters und dem tödlichen Autounfall ihres einzigen Bruders, der den Titel geerbt hätte, war der Stamm der Kepolus lange Zeit ohne Oberhaupt.

Suna war 23 Jahre alt, als sie beschloss, diese Lücke zu füllen. Nirgendwo steht geschrieben, dass nicht auch die Tochter den Titel übernehmen kann. Getan hat es vor ihr keine. Inzwischen hören alle Mitglieder ihrer weit verzweigten Familie auf ihr Wort, auch die Männer.

Durch ihren Lebensweg versucht Suna Kepolu, den Frauen in dieser Region Mut zu machen und drängt, anders als die anderen Großgrundbesitzer, die Eltern dazu, ihre Töchter zur Schule zu schicken. Noch immer sind 25 Prozent der türkischen Bevölkerung Analphabeten, 80 Prozent davon Frauen.

Suna Kepolu hat viel erreicht, doch trotz ihrer Position muss auch sie sich den ungeschriebenen Regeln der Region beugen, wenn sie in der patriarchalischen Gesellschaft Südostanatoliens bestehen möchte. Ein Spagat, der viele Opfer von ihr fordert.

So lautet die Programmbeschreibung des Fernsehsenders. (Sendedaten unten). Alles, was das Patriarchat eigentlich ausmacht, wird hier in Stichworten beschrieben.

Wer meinen Ekurs oder die Beschreibung über matristische Menschenn gelesen hat, weiß, dass in einer patriarchalen Gesellschaft alle Frauen und Männer patriarchal sind. Entweder alle oder niemand. Patriarchal ist die Sozialstruktur einer Gemeinschaft, nicht die einzelne Person. Ist das einleuchtend?

Demzufolge müssen alle Frauen und Männer in einer nicht-patriarchalen Gesellschaft, deren Alltag auf völlig anderen Regelungen beruht, nicht-patriarchal sein. Rein nicht-patriarchal sind indigene Völker, die nicht mit patriarchalen Menschen in Berührung kamen.

Genau gesagt, gibt es keine patriarchale Menschen von Natur aus. Es gibt einfach Menschen. Von diesen gibt es welche, die erkrankt sind und die sich patriarchal verhalten und welche, die ihre natürlichen Eigenschaften bewahren und schützen konnten und sich lebensbejahend verhalten. Je nachdem, wie es in ihrer Kultur Sitte und Brauch ist. Mit dem Geschlecht hat das nichts zu tun.

Beispiel: Wenn du in einem Stamm auf einer philippinischen Insel aufgewachsen bist, weit weg von Weißen, und kommst im Dezember nach Deutschland, dann wirst du nicht verstehen, warum an den Bäumen Lichter befestigt sind. Du kommst aus einem anderen Paradigma. Du kennst dann diesen Brauch nicht. Und auch nicht die verbindliche Regel, dass am 25.12. nicht gearbeitet werden darf.

In diesem Beispiel ist „Weihachten feiern“ mit allem, was dazu gehört, ein typisch patriarchaler Brauch. Es ist das Fest der Hirten und des Oberhirten (Vater). Damit sind wir bei den nächsten Begriffen des TV-Programmtextes:

Die 4 Säulen der „Zivilisation“

Vater, Titel, Stamm, Oberhaupt – Die Kombination dieser vier Wörter im 4. Absatz sind die Eckpfeiler der patriarchalen Gesellschaft. Daran lässt sich alles, was uns (zer)stört, worunter wir leiden, und was wir duldend in Kauf nehmen, fest machen.

Patriarchat ist die gewohnheitsmäßige Abfolge von Gewalt und Leid.

Nicht die Menschen sind patriarchal, sondern die Art, wie sie sich benehmen müssen, weil sie von Klein auf dazu gezwungen werden. Das ist schwer wahrzunehmen, weil wir nichts anderes kennen. Gäbe es keine Zwänge für Kinder, dann würden sie sich völlig anders benehmen. Es gäbe weder „Nervensägen“, noch „Tyrannen„, noch weinende Kinder. Denn bei unserem Beispiel-Stammes-Filipino und anderen Indigena, kommen solche Verhaltensweisen nicht vor! Die Kinder und die sich daraus entwickelnden Erwachsenen verhalten sich sozial, und nicht asozial, wie bei uns.

Das hat mit Technik oder modernen Technologien nichts zu tun. Heutzutage sitzen auch Mitglieder der Ureinwohner am Computer, stellen Websites über ihre spezielle Kultur ins Internet.

Manche Gemeinschaften sind reich, wie die nordamerikanischen Indianer-Clans, die Casinos besitzen; andere leben in Hütten. Manche fahren Autos und schauen TV, wieder andere leben vom Land und sind Wildbeuter (Jäger und Sammlerinnen), machen sich ein schönes Leben und feiern viel; schicken aber trotzdem ihre Kinder auf unsere patriarchalen Schulen, oder auch nicht. Damit hat das alles nichts zu tun.

Es kommt nicht auf die Handlung an, sondern auf die Haltung, die dahinter steckt.

Es ist eine Frage von Zwang und Gewalt. Kommt das vor, ja oder nein? Die Sozialen verhalten sich lebensbejahend, die Asozialen verletzen sich gegenseitig oder schauen zu.

*

„Suna – Die türkische Patriarchin
Samstag, 1. Nov. 2008 · 09:45-10:40 · 3sat

Bilderquelle: Pädagogische Psychologie

16 Kommentare

  • Mari

    …dass wehrlose „Nutz“-Tiere missbraucht, ausgebeutet und (jährlich über 40 Milliarden weltweit – Fische nicht mitgerechnet) für einen kurzen Gaumenkitzel dahingemetzelt werden dürfen, weil dahinter eine Politik steht, die alles deckt und zu Recht erklärt, was in meinen Augen ein Unrecht ist.

    • @mari richtig, in deinen Augen… Vielleicht unterhältst du dich mal mit Inuit. Was haben die wohl dazu zu sagen?

      • Mari

        @Hannelore Ein Gespräch mit den Inuit könnte mich leider auch nicht über den Verrat der Menschen an den Tieren hinwegtrösten.

        Wir üben Tieren gegenüber ganz öffentlich eine welthistorisch beispiellose Terror- und Schreckensherrschaft aus. Warum erkennen wir nicht diese Schande und hören auf damit?

        Mich würde deine Position zu diesem Thema interessieren.

        • Mari

          @Hannelore Du hast mir ja die Antwort in der Beschreibung des Patriarchats bereits gegeben. Danke.

          Wir leben im Patriarchat und Patriarchat ist die gewohnheitsmäßige Abfolge von Gewalt und Leid.

  • Tyulender

    Mich stört vor allem, dass Konsens in unserer Gesellschaft (vor allem in der Politik) nicht möglich ist, weil jeder auf seinen Ansichten und seinem Recht beharrt. Immer Recht haben zu wollen scheint mir auch so eine Art Zwang zu sein, nämlich der, dass das eigene Denken immer auch das der anderen sein soll. Eltern zwingen ihren Kindern ihre Erziehung auf, und da gibt es selten Raum für Diskussionen. Lehrer und die Schulleitung zwingen alle Schüler, das Gleiche zu lernen, egal, ob diese anderer Meinung sind oder dieses oder jenes Fach überhaupt lernen wollen. Doch was mir am meisten „stinkt“, ist dieses ständige Gegeneinander! Und dass Individualität so oft nicht möglich ist – nicht, ohne Hänseleien, Mobbing oder größere Konflikte hervor zu rufen.

  • @Jonas – könntest du uns ein konkretes Beispiel geben? Evtl. etwas, das dir passiert ist? Mir ist nicht ganz klar, wo das vorkommt. Ich werde eigentlich nie als unmoralisch bezeichnet.

  • Jonas

    Ich muss scharf dagegen protestieren, dass derjenige unmoralisch genannt wird, der sein soziales Verhalten auf innere Gesetze statt auf äussere Zwangsformen stützt.

  • Mari

    @Jonas – was meinst du bitte genau mit „innere“ Gesetze?

    Meinst du vielleicht die geistigen Gesetze, wie z.B. das Gesetz der Liebe, das Gesetz der Polarität, das Gesetz der Resonanz, etc.?

  • Liebe Hannelore, Deine Unterscheidungen zu matriarchal und patriarchisch finde ich lehrreich. Das wir uns alle anders benehmen würden, wenn uns Zwänge nicht eingeprügelt worden wären, kann ich mir bildlich gut vorstellen.
    Über- und Unterordnung geht immer mit Gewalt einher, denn warum sollte sich jemand freiwillig kleiner machen… LG Rainer

    rainers letzter Blog-Beitrag…Marienkäfer

  • Jeanine

    Kinder die ohne Regeln aufwachsen werden sich später asozial verhalten und nicht umgekehrt. Und die Zeichnung kann man ja auch gegen uns verwenden, schließlich erziehen ja in den meisten Fällen wir Frauen die Kinder

    • In der Summerhill-Schule stellen die Kinder selbst die Regeln auf.
      „Der antiautoritäre Linke Neill [Schulgründer und -leiter] war immer wieder perplex, wie gut sich doch Summerhill-Schüler ins britische Militär einpassten. Summerhillianer wurden durchweg von ihren Vorgesetzten gelobt. Sie waren so unneurotisch, dass sie kein Sand im militärischen Getriebe waren.“ schreibt Peter Nesselstein in seinem Nachrichtenbrief.

  • Moin,

    @Jeanine und @alle:
    aus meiner rekultivierten matriarchalen Sicht, gibt es nur eine Regel für alle:
    Was Du NICHT willst, was man Dir tuh, das füg auch keinem anderen zu.
    Für Sadisten und Masochisten taugt diese Regel klar nicht/wenig.

    [snip… der Teil mit dem Homeschooling gehört hier nicht zum Thema]

    Frohe Ostern und LichtGruß
    Iris

    • Iris, du verweist auf die sogenannte „Goldene Regel“, die sinngemäß in verschiedenen Formulierungen in den patriarchalen Groß-Religionen und deren „heiligen“ Büchern vorkommt.

      Das Patriarchat verlangt Gleichmacherei und so passt auch diese Regel ins Konzept. Aber real sind keine zwei Menschen gleich und deshalb gilt für jeden etwas anderes, es kann sogar das Gegenteil sein.
      Du bringst selbst das Beispiel: Masochisten wollen ja genau das zugefügt bekommen, was der Sadist für sich niemals will.

      • Moin Hannelore,

        einerseits sind wir ALLE individuell – < das haben die Menschen also gemeinsam – , andererseits sind wir ALLE gleich, … brauchen ALLE eine Grundausstattung, Schutz, Nahrung, soziale Kontakte, Liebe, …

        Die "goldene" Regel – "Was Du NICHT willst, was man Dir tuh, das füg auch keinem anderen zu" , kann – wie schon erwähnt – nur bei Menschen die sich im Einklang mit sich und der Menschheit befinden funktionieren, …
        *
        Ich denke NICHT, das die Regel: "Was Du NICHT willst, was man Dir tuh, das füg auch keinem anderen zu", eine Erfindung des Patriarchats ist, … dass das Patriarchat diese Regel zweckentfremdet, … das kann ich mir – wenn auch äußerst ungern – vorstellen, …
        *
        LichtGruß
        Iris

        • Es klingt plausibel Iris, dass die ‚Goldene Regel‘ eine sinnvolle, menschliche Regel ist. Ich habe das auch geglaubt, als ich noch die populäre Matriarchatsliteratur las. Bis ich selbst recherchiert habe.
          Auf meiner englischen Matriarchy.info Seite habe ich einen Artikel dazu geschrieben mit vielen Beispielen. Hier mal der erste Abschnitt übersetzt:

          Die so genannte „Goldene Regel“ ist eine der wichtigsten Regeln des Patriarchats. Sie garantiert, dass die Leute ‚gleich‘ sind, anstatt ‚individuell‘. Wenn die Leute glauben, dass sie das ‚Gleiche‘ wollen wie ihre Mitmenschen und dies als ihr Recht betrachten, dann sind Männer und Frauen viel leichter zu regieren, auszunutzen und zu manipulieren.

          Matriarchale Gesellschaften sind anspruchsvoller. Sie erfüllen die individuellen Wünsche und persönlichen Bedürfnisse von allen Einzelpersonen. Deshalb sind sie nicht regierbar. Sie sind keine „sheeple“ (engl. Wortkombination aus people und sheep).

          Siehe The Golden Rule (engl.) ,da stehen noch weitere Erklärungen.

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