Entstehung Patriarchat: Die Dürre

Teil 2 / 12 der Serie Entstehung Patriarchat

Wüste

Der Geograph James DeMeo erforschte über 10 Jahre die verschiedenen Klimagebiete der Erde und studierte sie im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Gewalt. DeMeo dissertierte über dieses Thema und sein Buch dazu mit dem Titel „Saharasia“ wurde veröffentlicht.

Der Untertitel dieses großformatigen und 450 Seiten umfassenden Werkes lautet:
„The 4000 BCE Origins of Child Abuse, Sex-Repression, Warfare and Social Violence in the Deserts of the Old World.“

Den Impuls zu dieser Arbeit bekam DeMeo durch die Schriften Wilhelm Reichs und dessen Beschreibung der Entstehung von Gewalt und der gepanzerten Persönlichkeit.

In einem seiner letzten Texte formulierte Reich eine erkennbare Verbindung zwischen Panzerung und Wüsten, zwischen der konkreten, geographischen Wüstenlandschaft und dem, was er emotionale Wüste nannte. Nach einer Periode ausgedehnter atmosphärischer Studien in den Wüsten von Arizona (1954-1955), erörterte Reich wie Pflanzen und Tiere eine dicke und stachelige äußere Schutzschicht gegen die feindliche Umgebung entwickeln. Und wie die Wüsten den Saft aus pflanzlichem und tierischem Leben heraus saugen (’suck dry‘).

Das entspräche den rauen und traumatisierenden Methoden, wie Säuglinge und Kinder behandelt würden, so seine Argumentation, und die der antisexuellen Haltung, die die sanften emotionalen Aspekte des Lebens austrocknen und insbesondere säuerliche, vertrocknete und/oder reizbare Charakterstrukturen auslösen.

Im Buch zitiert DeMeo Reich folgendermaßen:

Wenn sich eine Wüste zu entwickeln beginnt, wenn die natürliche, ursprüngliche Vegetation allmählich der belastenden Dürre anheimfällt und in ihr zugrunde geht und ohne Morgentau das Land unter der brennenden Sonne zunehmend austrocknet … kämpft das Leben immer noch weiter.
Ein neuer Typ Leben, eine sekundäre Vegetation taucht auf, angepasst an die trostlosen Existenzbedingungen der Wüste. Es ist ein hässliches, schlecht ausgestattetes Leben. Der Stamm des Cholla-Kaktus oder des Feigen-Kaktus oder des Palo Verde-Baums sind nicht solide wie der Stamm einer Eiche oder einer Birke.

Der Stamm besteht aus einzelnen, schmalen Fasern, die brüchig und spröde sind und so bleiben, und keine Verbindung oder Verschmelzung zueinander aufweisen. Die ganze Pflanze ist mit Borsten oder langen Stacheln bedeckt. Sie erinnern uns an die Ähnlichkeit mit dem reizbar-stachligen äußeren Verhalten von Menschen, die innerlich leer und wüstenartig sind. Das ist nicht eine reine Analogie. Der Vergleich ist tatsächlich sehr weitreichend.
Die Wüstenpflanzen entwickeln entweder wie der Feigen-Kaktus lederartige stachlige Sprosse, oder Strukturen wie beim Cholla-Kaktus, wo der grüne chlorophyllhaltige Teil auf die äußersten Enden der Zweige beschränkt ist.

Für das Wüstenleben ist charakteristisch, dass sogar die Tiere ein borstiges, stacheliges Äußeres oder scharfe, spitze Körperteile zum Töten besitzen: Der Skorpion, die Klapperschlange, die giftige Gila-Krustenechse … Diese Vegetation ersetzt langsam die letzten Überreste der primären Pflanzenwelt und mit der fortschreitenden Wüstenbildung hin zum Endstadium – der Sand-Wüste – stirbt auch die sekundäre Vegetation und nichts bleibt außer Sanddünen.

Mit der weltweiten Ausbreitung der Wüste gehen Zivilisationen unter, das Leben in den betroffenen Gebieten stirbt völlig aus, die Menschen versuchen entweder zu entkommen oder passen sich ebenfalls an das Wüstenleben in den seltenen grünen Flecken, den Oasen, an.

Die ständige Anwesenheit des Todes … und das allgegenwärtige unterschwellige Bewusstsein des unabwendbaren Endes ist charakteristisch für beides: Leben in der Wüste und Leben im gepanzerten Menschen.

Die Leblosigkeit der Gefühle, ausgetrocknetes Gewebe im Wechsel mit aufgedunsener Schwellung, fetter Schwabbeligkeit oder der Neigung zu Wassersucht bzw. Krankheiten, die Wassersucht hervorrufen; Alkoholismus, der zur Stimulierung dessen dient, was vom ursprünglichen Sinn des Lebens noch übrig ist, Kriminalität und Psychosen und die letzten Zuckungen eines vereitelten, frustrierten, schwer misshandelten Lebens sind nur ein paar der Konsequenzen einer emotionalen Wüste.1

Während sich Wüsten an mehreren Orten der Welt bildeten – die große Sahara-Wüste im arabischen Nordafrika und die riesigen Wüsten des mittleren Ostens und Zentral-Asiens gab es vor 4000 v.u.Z. noch nicht – konzentrieren wir uns auf den Kulturraum östlich von Europa. Hier erschütterte eine massive Klimaänderung die alte Welt, als vor ungefähr 7000 Jahren beträchtliche Bereiche der damals üppigen, zum Teil bewaldeten, Graslandsavanne rasch austrockneten und sich in raues Ödland verwandelten.

Die globale Erwärmung nach den Eiszeiten beschleunigte das Austrocknen dieser enorm großen Wüstenregionen, die seit DeMeo als „Saharasia“ (=Sahara/Arabia/Asia) bekannt ist.

*

Sehr schöne Photos: Überbleibsel der grünen Sahara

  1. Wilhelm Reich: The Emotional Desert. In: Selected Writings: An Introduction to Orgonomy, New York : Farrar, Straus and Giroux, 1973, S. 461-3. Übersetzung von mir []

6 Kommentare

  • Liebe Hannelore,

    dann bin ich mal gespannt, wie es weitergeht… LG Rainer

    rainers letzter Blog-Beitrag…An andere Träume glauben

  • @erich – Vielleicht hast du nicht bemerkt, dass dies nur der erste Teil der Enst.Patriarchat-Serie ist. Siehe hier: http://rette-sich-wer-kann.com/artikelserie/entstehung-patriarchat-prolog-und-uebersicht/

    Ansonsten ist dein Kommentar ein eigener Blogbeitrag für deinen eigenen Blog.
    Auf wordpress.com kannst du dir in 10 Minuten einen kostenlosen Blog einrichten, deinen Kommentar dort reinkopieren und dann hierher verlinken. Ein Backlink wird dann hier unter „Wer linkt hierher“ erscheinen.

    Dadurch kann man blogübergreifend diskutieren.

    Ich lasse diesen Kommentar ein paar Tage hier stehen, dann lösche ich ihn.

    Mehr zum Kommentieren beim Fragezeichner: Relativierungsfreiheit

  • Martina Bedregal Calderón

    Erstaunlicherweise habe ich aber in der Wüste, unter den Kel Tamachek (hier als Tuareg bezeichnet), Matriarchat und mehr menschlichen Umgang miteinander und vor allem liebevollen Umgang mit den Kindern erlebt als hier im grünen Deutschland…

    • Die heutigen Wüstenbewohner sind ja nicht mehr unbedingt vom Verhungern bedroht.

      • Martina Bedregal Calderón

        Oh doch, die Sahara breitet sich weiter in den Sahel und nach Norden aus; der Grundwasserspiegel sinkt, nicht zuletzt auch durch eine fehlgeplante Entwicklungshilfe. Immwer wieder gibt es Dürrejahre. Dazu kommt, dass den Kel Tamachek z. B. in Niger und Mali seit Jahrzehnten Verfolgung von Regierungsseite droht; Brunnen wurden und werden vergiftet, Kinder den Eltern weggenommen und in weit entfernte Schulen gesteckt etc.

        • Martina Bedregal Calderón

          In den Ländern Westeuropas, besonders in Deutschland, breitet sich dagegen eine menschliche Dürre aus…