Die römische Patria Potestas im heutigen Alltag – ganz normale Väter

Justitia ist blind - wir auch?Aus aktuellem Anlass: Stichwort Amstetten

Die patria potestas bedeutete im Römischen Eherecht (Zwölftafelgesetz von ca. 450 v.u.Z.) uneingeschränkte Macht des pater familias: die Macht über Tod und Leben. Das heißt, das männliche Familienoberhaupt, der Vater, hatte die familia unter seiner Kontrolle und in seiner Gewalt, zu der auch die verheirateten Söhne mit ihren Frauen und Kindern, Adoptivsöhne, Sklaven, Vieh und das sonstige Besitztum gehörten.

Um Kinder, die im Haushalt geboren wurden (von Ehefrauen, Sklavinnen, Töchtern) am Leben zu erhalten, war es erforderlich, dass sie der pater familas, dem sie nach der Geburt zu Füßen gelegt wurden, aufhob. (Vgl. Anerkennung der Vaterschaft in heutiger Gesetzgebung.)

Von seiner Entscheidungsgewalt war die Aussetzung neugeborener Kinder abhängig, wenn er die Kinder nicht aufziehen konnte oder wollte, sei es aus finanziellen Gründen, weil sie Bastarde waren, behindert oder schlicht Mädchen.

Die Aussetzung von Neugeborenen auf öffentlichen Dunghaufen war in der ganzen römischen Welt bis zum Jahr 374 u.Z. legal. Die Kinder verfielen demzufolge dem Tode oder bestenfalls der Sklaverei.

Der Familienvater hatte auch die Macht, seine Kinder in die Sklaverei zu verkaufen. Das Römische Recht sah vor, dass ein Kind, nachdem es drei Mal verkauft wurde, nicht mehr Gegenstand der patria potestas war.

Er hatte die Macht, die Hochzeit eines Sohnes oder einer Tochter zu billigen oder sie zu verhindern.

In jedem Haushalt konnte nur eine Person seine Funktion ausüben. Auch erwachsene männliche Kinder blieben unter der Autorität ihrer Väter und konnten daher auch nicht die Rechte eines pater familias erwerben, solange dieser noch lebte. Ihr gesamter Besitz wurde je nachdem, wie stark der Vater an ihnen interessiert war, angeschafft, und dieser, nicht die Söhne, hatte das alleinige Recht, darüber zu bestimmen. (Vgl. ’solange du deine Füße unter meinen Tisch streckst, bestimme ich‘.)

Dieser Tage gibt sich die Bevölkerung empört oder sogar „geschockt“, wenn es um den „Fall Amstetten“ geht, aber wer Film-Interviews dazu aufmerksam anschaut, bemerkt, dass von den Interviewten nicht wirkliche Gefühle ‚rüberkommen. Das wäre auch seltsam, denn das römische Recht von vor über 2000 Jahren ist unser Erbe, das wir nie losgeworden sind. Es ist so aktuell wie eh und je. Von Familie zu Familie bestehen nur graduelle Unterschiede, das Grundkonzept ist jeweils das Gleiche.

Es ist kaum anzunehmen, dass Josef F. aus Amstetten sich im Römischen Eherecht auskannte. Wie kommt es dann zu solch auffallenden Ähnlichkeiten seines Verhaltens mit einem Lebenstil vor langer Zeit? Weil genau dieser Lebenstil innerhalb der patriarchalen Gesellschaft bewahrt und von Generation zu Generation weiter gegeben wurde.

Laut der Süddeutschen wird das Verbrechen in Amstetten von den Behörden als weltweit einzigartiger Fall eingestuft. „Das sprengt alle Dimensionen“, sagte ein Polizeisprecher. Nun, letzte Woche las ich einen Bericht in unserer Zeitung über eine religiöse Gemeinschaft, die sich als große Familie verstand. Die waren alle „eingesperrt“. Da ging es um Zwangsheirat in sehr jungen Jahren, Missbrauch und Vergewaltigung; Jungen wurden routinemäßig auf der Straße ausgesetzt, damit sich die Führer zusätzliche junge Ehefrauen auswählen konnten und keine männliche Konkurrenz hatten. Es war die Rede von ca. 2000 sogenannten „Lost Boys“, die im Drogenmilieu der nächsten Stadt landeten. Jeder Fall ist einzigartig und jeder scheint „alle Dimensionen“ zu sprengen, aber es gibt zu viele davon. Die Superlative wirken lahm, offenbaren Heuchelei und bestenfalls Hilflosigkeit.

„Der Täter hat ein Terrorregime aufgebaut“ steht weiter in der Süddeutschen. Das ist auch nicht korrekt. Das Terrorregime haben die Römer aufgebaut, eigentlich deren Vorgänger ca. 3000 bis 6000 Jahre vor ihnen; die Römer haben es nur verfeinert und in „das Normale“ hinein verwoben, genau so wie wir.

In der SZ steht auch, dass der 73-Jährige als „einfacher und ganz normaler Mann“ beschrieben wird. Das ist er auch, normal, aber nicht in seiner sozialen Rolle als „Mann“, sondern als „Vater“ – als pater familias.

Diese fatale Begriffsverwischung, die auch dem Feminismus eigen ist, trübt unseren Blick und verhindert so das Erkennen der dahinter stehenden Ideologie. Die verlangt nämlich konzeptionell nicht die Unterwerfung der Frau unter den Mann, sondern unter den Familienvater. Und sie verlangt ebenso die Unterordnung der Männer: der Söhne in ihrer Rolle als Arbeiter (Sklaven) und Soldaten.

16 Kommentare

  • Auch wenn ich durchaus durch die eigenen Erfahrungen und im Allgemeinen die Verhältnisse „Der Hausherr hat das letzte Sagen“ immer als unnatürlich und ungesund für alle Beteiligten angesehen habe, ist mir diese Begriffsverwischung zwischen Mann und Familienvater bisher noch nicht aufgefallen. Werd jetzt mehr darauf achten.

  • Auch wenn ich durchaus durch die eigenen Erfahrungen und im Allgemeinen die Verhältnisse „Der Hausherr hat das letzte Sagen“ immer als unnatürlich und ungesund für alle Beteiligten angesehen habe, ist mir diese Begriffsverwischung zwischen Mann und Familienvater bisher noch nicht aufgefallen. Werd jetzt mehr darauf achten.

  • Auch wenn ich durchaus durch die eigenen Erfahrungen und im Allgemeinen die Verhältnisse „Der Hausherr hat das letzte Sagen“ immer als unnatürlich und ungesund für alle Beteiligten angesehen habe, ist mir diese Begriffsverwischung zwischen Mann und Familienvater bisher noch nicht aufgefallen. Werd jetzt mehr darauf achten.

  • Pat

    Hallo
    Im allgemeinen lese ich Deine Stellungnahmen sehr gerne, so  ist auch diese hier ein interessanter Gedankengang. Trotzdem ist mir hier etwas beim Durchlesen aufgefallen, das ich als sehr negativ empfinde. Wäre ich jetzt ein Mann und vor allem ein Mann, der sich in solcher Weise gegenüber Frauen und Töchtern verhält, würde ich Deinen Bericht als Entschuldigung für mich sehen und das ist doch sicherlich nicht, was Du erreichen möchtest?
    Mir fehlt hier eine klare Distanzierung zu Verbrechen an Frauen. So wie du es geschrieben hast, kommt es für mich eindeutig als Entschuldigung für die Täter an.
     
     
     

  • Pat

    Hallo
    Im allgemeinen lese ich Deine Stellungnahmen sehr gerne, so  ist auch diese hier ein interessanter Gedankengang. Trotzdem ist mir hier etwas beim Durchlesen aufgefallen, das ich als sehr negativ empfinde. Wäre ich jetzt ein Mann und vor allem ein Mann, der sich in solcher Weise gegenüber Frauen und Töchtern verhält, würde ich Deinen Bericht als Entschuldigung für mich sehen und das ist doch sicherlich nicht, was Du erreichen möchtest?
    Mir fehlt hier eine klare Distanzierung zu Verbrechen an Frauen. So wie du es geschrieben hast, kommt es für mich eindeutig als Entschuldigung für die Täter an.
     
     
     

  • Pat

    Hallo
    Im allgemeinen lese ich Deine Stellungnahmen sehr gerne, so  ist auch diese hier ein interessanter Gedankengang. Trotzdem ist mir hier etwas beim Durchlesen aufgefallen, das ich als sehr negativ empfinde. Wäre ich jetzt ein Mann und vor allem ein Mann, der sich in solcher Weise gegenüber Frauen und Töchtern verhält, würde ich Deinen Bericht als Entschuldigung für mich sehen und das ist doch sicherlich nicht, was Du erreichen möchtest?
    Mir fehlt hier eine klare Distanzierung zu Verbrechen an Frauen. So wie du es geschrieben hast, kommt es für mich eindeutig als Entschuldigung für die Täter an.
     
     
     

  • Anuja

    Hallo!
    Eine sehr interessante Betrachtung, danke dafür. Und auch danke für die erhellende Erläuterung der Vaterposition und der Rolle der Männer darin. Als Mann bist du nämlich auch ganz schön angeschmiert, wenn du nicht gerade als Ältester alles erbst und als nächster Vatertyrann aus dem Spiel hervorgehst. Dann heißt es ebenso dienen – wie du so schön herausstellst. Was natürlich explizit nicht als Entschuldigung für die schlechte Angewohnheit des „Nach oben buckeln, nach unten treten“ gilt.
    Der Kommentar von Pat, die deine Ausführungen als „Entschuldigung“ für ein solches Verhalten liest, drückt bei mir folgenden Knopf: Was macht es so schwer für Frauen, zu sehen, daß sie nicht alleinig zum Dienen und Funktionieren erzogen wurden und in einer „Opferrolle“ befindlich sind, dies also durchaus mit vielen Männern gemein haben? Die Männer ventilieren diese Misere oft anders aus, das ist wohl wahr. Aber die Ausgangspositionen sind durchaus ähnlich gelagert in diesem Vatersystem, wie Hannelore ja deutlich macht.
    Was mich immer wieder verblüfft, ist die absolute Hartnäckigkeit, mit der viele Frauen sich verweigern, das zu sehen und mich sofort massiv als „Männerverteidigerin“ angreifen, sobald ich das zur Sprache bringe.
    Inzwischen muß ich den Eindruck behalten, das diese Frauen überhaupt nicht aus der Opferrolle herauswollen und es sich irgendwie ganz gut darin als Unschuldslamm eingerichtet haben.
    Jedes System kann nur durch Mitwirkung aller Menschen darin aufrechterhalten werden. Wenn wenigstens alle Frauen das begreifen könnten, kämen wir vielleicht konstruktiv und gemeinsam weiter.
    Danke für die Verdeutlichung, daß es sich bei dem irren Anstetter zwar durchaus um einen sehr extremen, aber nicht einen einzelnen Fall handelt.
    Das Subtile macht die Masse.
    Anuja

  • Anuja

    Hallo!
    Eine sehr interessante Betrachtung, danke dafür. Und auch danke für die erhellende Erläuterung der Vaterposition und der Rolle der Männer darin. Als Mann bist du nämlich auch ganz schön angeschmiert, wenn du nicht gerade als Ältester alles erbst und als nächster Vatertyrann aus dem Spiel hervorgehst. Dann heißt es ebenso dienen – wie du so schön herausstellst. Was natürlich explizit nicht als Entschuldigung für die schlechte Angewohnheit des „Nach oben buckeln, nach unten treten“ gilt.
    Der Kommentar von Pat, die deine Ausführungen als „Entschuldigung“ für ein solches Verhalten liest, drückt bei mir folgenden Knopf: Was macht es so schwer für Frauen, zu sehen, daß sie nicht alleinig zum Dienen und Funktionieren erzogen wurden und in einer „Opferrolle“ befindlich sind, dies also durchaus mit vielen Männern gemein haben? Die Männer ventilieren diese Misere oft anders aus, das ist wohl wahr. Aber die Ausgangspositionen sind durchaus ähnlich gelagert in diesem Vatersystem, wie Hannelore ja deutlich macht.
    Was mich immer wieder verblüfft, ist die absolute Hartnäckigkeit, mit der viele Frauen sich verweigern, das zu sehen und mich sofort massiv als „Männerverteidigerin“ angreifen, sobald ich das zur Sprache bringe.
    Inzwischen muß ich den Eindruck behalten, das diese Frauen überhaupt nicht aus der Opferrolle herauswollen und es sich irgendwie ganz gut darin als Unschuldslamm eingerichtet haben.
    Jedes System kann nur durch Mitwirkung aller Menschen darin aufrechterhalten werden. Wenn wenigstens alle Frauen das begreifen könnten, kämen wir vielleicht konstruktiv und gemeinsam weiter.
    Danke für die Verdeutlichung, daß es sich bei dem irren Anstetter zwar durchaus um einen sehr extremen, aber nicht einen einzelnen Fall handelt.
    Das Subtile macht die Masse.
    Anuja

  • Anuja

    Hallo!
    Eine sehr interessante Betrachtung, danke dafür. Und auch danke für die erhellende Erläuterung der Vaterposition und der Rolle der Männer darin. Als Mann bist du nämlich auch ganz schön angeschmiert, wenn du nicht gerade als Ältester alles erbst und als nächster Vatertyrann aus dem Spiel hervorgehst. Dann heißt es ebenso dienen – wie du so schön herausstellst. Was natürlich explizit nicht als Entschuldigung für die schlechte Angewohnheit des „Nach oben buckeln, nach unten treten“ gilt.
    Der Kommentar von Pat, die deine Ausführungen als „Entschuldigung“ für ein solches Verhalten liest, drückt bei mir folgenden Knopf: Was macht es so schwer für Frauen, zu sehen, daß sie nicht alleinig zum Dienen und Funktionieren erzogen wurden und in einer „Opferrolle“ befindlich sind, dies also durchaus mit vielen Männern gemein haben? Die Männer ventilieren diese Misere oft anders aus, das ist wohl wahr. Aber die Ausgangspositionen sind durchaus ähnlich gelagert in diesem Vatersystem, wie Hannelore ja deutlich macht.
    Was mich immer wieder verblüfft, ist die absolute Hartnäckigkeit, mit der viele Frauen sich verweigern, das zu sehen und mich sofort massiv als „Männerverteidigerin“ angreifen, sobald ich das zur Sprache bringe.
    Inzwischen muß ich den Eindruck behalten, das diese Frauen überhaupt nicht aus der Opferrolle herauswollen und es sich irgendwie ganz gut darin als Unschuldslamm eingerichtet haben.
    Jedes System kann nur durch Mitwirkung aller Menschen darin aufrechterhalten werden. Wenn wenigstens alle Frauen das begreifen könnten, kämen wir vielleicht konstruktiv und gemeinsam weiter.
    Danke für die Verdeutlichung, daß es sich bei dem irren Anstetter zwar durchaus um einen sehr extremen, aber nicht einen einzelnen Fall handelt.
    Das Subtile macht die Masse.
    Anuja

  • Der Anwalt des Täters sieht das interessanterweise genauso: ‚Über seinen Mandanten sagt Mayer: „Ich hatte den Eindruck, vor mir stünde ein Pater Familias, ein Familienoberhaupt, mit guten, aber auch mit schlechten Seiten.“‚ (Quelle: Spiegel Online)

  • Der Anwalt des Täters sieht das interessanterweise genauso: ‚Über seinen Mandanten sagt Mayer: „Ich hatte den Eindruck, vor mir stünde ein Pater Familias, ein Familienoberhaupt, mit guten, aber auch mit schlechten Seiten.“‚ (Quelle: Spiegel Online)

  • Der Anwalt des Täters sieht das interessanterweise genauso: ‚Über seinen Mandanten sagt Mayer: „Ich hatte den Eindruck, vor mir stünde ein Pater Familias, ein Familienoberhaupt, mit guten, aber auch mit schlechten Seiten.“‚ (Quelle: Spiegel Online)

  • Pingback: Das schiefe Bild von der Familie « Abbasowas!

  • Annot

    Ein Gedanke zur Mormonen-Sekte:
    Ich finde es ja stark, dass in der empörten Berichterstattung nicht klar wird, um welche Art von Heiratssystem es sich da eigentlich handelt. Nämlich nicht um die geschlechterspezifisch neutrale Polygamie, bei der einfach nur eine Ehe mit mehreren PartnerInnen besteht, sondern eine Polygynie, bei der ausschließlich ein Mann (das Familienoberhaupt) mehrere Frauen haben kann. Insofern ist das einfach nur eine konsequente Fortführung des patriarchalen System des pater familias und den normal-deutschen Kleinfamilien gar nicht so unähnlich. Ob das nicht klar benannt wird, weil es der Durchschnittsjournalist nicht durchschaut oder es bewußt unter den Tisch fällt, wage ich nicht zu beurteilen…

  • Annot

    Ein Gedanke zur Mormonen-Sekte:
    Ich finde es ja stark, dass in der empörten Berichterstattung nicht klar wird, um welche Art von Heiratssystem es sich da eigentlich handelt. Nämlich nicht um die geschlechterspezifisch neutrale Polygamie, bei der einfach nur eine Ehe mit mehreren PartnerInnen besteht, sondern eine Polygynie, bei der ausschließlich ein Mann (das Familienoberhaupt) mehrere Frauen haben kann. Insofern ist das einfach nur eine konsequente Fortführung des patriarchalen System des pater familias und den normal-deutschen Kleinfamilien gar nicht so unähnlich. Ob das nicht klar benannt wird, weil es der Durchschnittsjournalist nicht durchschaut oder es bewußt unter den Tisch fällt, wage ich nicht zu beurteilen…

  • Annot

    Ein Gedanke zur Mormonen-Sekte:
    Ich finde es ja stark, dass in der empörten Berichterstattung nicht klar wird, um welche Art von Heiratssystem es sich da eigentlich handelt. Nämlich nicht um die geschlechterspezifisch neutrale Polygamie, bei der einfach nur eine Ehe mit mehreren PartnerInnen besteht, sondern eine Polygynie, bei der ausschließlich ein Mann (das Familienoberhaupt) mehrere Frauen haben kann. Insofern ist das einfach nur eine konsequente Fortführung des patriarchalen System des pater familias und den normal-deutschen Kleinfamilien gar nicht so unähnlich. Ob das nicht klar benannt wird, weil es der Durchschnittsjournalist nicht durchschaut oder es bewußt unter den Tisch fällt, wage ich nicht zu beurteilen…