"Geben und Nehmen"-Prinzip, eine Tugend?
Heute war ein Comic in der Zeitung (siehe unten), der ein weiteres Element der Zwangsmoral in unserer Gesellschaft verdeutlicht:
Der Zwang, der gegenseitigen Verpflichtung, die wir nicht freiwillig eingehen, sondern die uns aufgezwungen werden kann, indem uns jemand etwas schenkt.
Die „Höflichkeit“ oder das „gute Benehmen“ gebietet, ein Kompliment zurückzugeben. Wir sind moralisch verpflichtet jedes Geschenk (ideell oder materiell) mit einer Gegengabe zu erwidern. Das nennt sich Reziprozität und wird als Tugend betrachtet, als ein vorbildliches Verhalten zivilisierter Menschen.
Und nicht nur das: In der Soziologie wird es als Prinzip der Gegenseitigkeit bezeichnet und sogar als ein „Grundprinzip menschlichen Handelns“ dargestellt.
Gracie, das Mädchen im Comic rechts, entzieht sich clever diesem angeblichen Grundprinzip, das in nicht-patriarchalen Gesellschaften unbekannt ist.
Was bei indigenen Gesellschaften als ‚Gegenseitigkeit‘ interpretiert wird (wie besonders von B. Malinowski und M. Mauss beschrieben) ist in Wirklichkeit Bedürfnisbefriedigung; dahinter steht eine ganz andere Haltung.
– Gegenseitigkeit beruht auf dem Gleichheitsprinzip (alle Geschwister bekommen etwa gleich viele Geburtstagsgeschenke, es würde sonst als ungerecht aufgefasst, individuelle Bedürfnisse werden nicht berücksichtigt),
– Bedürfnisbefriedigung hat nichts mit dem Gleichheitsprinzip oder mit demokratischem Denken gemein, sondern mit dem Zufriedenstellen individueller Bedürfnisse. Die Eigenheiten des Individuums werden beachtet.
Reziprozität ist ein moralischer Zwang, der an Weihnachten zum Albtraum expandiert.
- Diese Zwangsmoral führt zu sinnlosem Konsum und Kompensation
- Sie bürdet den Beschenkten (ungewollten) Ballast auf
- Reziproker Gabentausch etabliert künstliche Schuld-Beziehungen („Ist mein Gegengeschenk auch groß/schön/wertvoll genug?“, „wird es als angemessen akzeptiert“) und nicht Vertrauensbeziehungen, wie in der Wikipedia behauptet wird, denn die Gegengabe ist ja eine unfreiwillige Verpflichtung.
- Beziehungen werden auf „Gegengeschäfte“ reduziert, ob Sympathie oder Hilfsbereitschaft daran Anteil haben, weiß am Ende niemand mehr.
- Beziehungen werden durch den Reziprozitätsdruck verlogen und leer.
Das trifft nicht immer zu?
Doch!
Was geschieht, wenn wir ein Kompliment oder sonstige Anerkennung in Form eines Geschenks nicht erwidern? Die Komplimente und Geschenke werden weniger und bleiben zum Schluss ganz aus, eventuell bekommen wir obendrein die kalte Schulter gezeigt.
Jedoch gibt es zwei Ausnahmesituationen, wo Reziprozität nicht erwartet wird:
Erstens, wenn die beschenkte Person nicht die Mittel des Zurückgebens hat. Das kann z.B. ein Bettler sein, dem wir etwas Geld schenken, oder arme Menschen, denen wir ausgediente Sachen überlassen, usw. In solchen Fällen, wo wir etwas geben und es von vornherein klar ist, dass keine Gegengabe geleistet werden kann, heißt das Geschenk nicht Geschenk, sondern Almosen.
Na ja, und wer will schon Almosenempfänger sein? Die meisten SozialhilfeempfängerInnen leiden unter der Situation und schämen sich dessen. Es wird als Demütigung gewertet. In unserem System.
Deshalb versuchen wir uns mit allen Mitteln zu revanchieren, wenn wir etwas bekommen und nennen diese Tugend „Geben und Nehmen“. Wir wollen niemandem etwas schuldig bleiben. Hat man jemandem aus freien Stücken einen Gefallen getan, bekommt man zu hören „du hast was gut bei mir“. Es wird immer aufgerechnet.
Es gibt außer den Almosen noch eine andere Situation, wo wir nicht „zurück geben“ (können).
Das ist eine Verleihung. Eine Prämierung oder Belohnung. Diese besteht meistens aus einem Dokument (Urkunde) und einem Geldgeschenk.
Zum Beispiel:
– Schulzeugnis, Geld von Eltern oder Großeltern für gute Noten
– Ehrenzeichen für langjährige Mitgliedschaft oder Verdienste … angefangen in der Firma, im Verein, in der Ehe … bis hin zu den Nobelpreisen.
Diese „Geschenke“ sind gleichzeitig Kompliment und Anerkennung. Aber auch Beurteilung.
Wer schenkt hier wem etwas und warum?
- Wer: das System
- Wem: besonders systemkonformen Personen
- Warum: als Belohnung für außerordentliche Unterstützung des Systems
(Man beachte: Eine Auszeichnung für subversives Verhalten oder Eigensinn gibt es nicht.)
Das System ist hierbei das patriarchale System. Und nur das patriarchale.
Das Verrückte dabei: Bei jedem Geschenk, das wir als Erste geben, setzen wir diesen Zwangs-Mechanismus in Gang.
Unsere Kinder drillen wir darauf Geschenke zu wollen und zu erwarten, noch bevor sie überhaupt den Anlass und das ganze Drumherum verstehen. Das heißt: Der Geschenke-Zwang geht bei Ihnen unreflektiert ins Unterbewusstsein, wo er lustig sein Unwesen treibt.
*
Der Comic geht weiter: Patriarchaler Generationskonflikt
Ich verfüge über den ausführlichen Bericht einiger Paare, die sich von Zwangsmoral hinsichtlich Sex und Ehe weitgehend freigemacht haben. Sie stellen darin u.a. sehr überzeugend und sehr offen dar, wie es dazu kam und wie sie und ihre Kinder dadurch gesünder in sehr stabilen und glücklichen „Lebenspartnerschaften“ leben. Wer diesen Bericht (80 Seiten DIN A5) lesen möchte, kann ihn bei mir zur kostenlosen Übersendung durch die Post anfordern. Wer besonders fair sein will, kann dafür einen frankierten Freiumschlag DIN C4 an meine Anschrift, Günter König, Tristanstrasse 20, 14109 Berlin, senden.
Ich verfüge über den ausführlichen Bericht einiger Paare, die sich von Zwangsmoral hinsichtlich Sex und Ehe weitgehend freigemacht haben. Sie stellen darin u.a. sehr überzeugend und sehr offen dar, wie es dazu kam und wie sie und ihre Kinder dadurch gesünder in sehr stabilen und glücklichen „Lebenspartnerschaften“ leben. Wer diesen Bericht (80 Seiten DIN A5) lesen möchte, kann ihn bei mir zur kostenlosen Übersendung durch die Post anfordern. Wer besonders fair sein will, kann dafür einen frankierten Freiumschlag DIN C4 an meine Anschrift, Günter König, Tristanstrasse 20, 14109 Berlin, senden.
Ich verfüge über den ausführlichen Bericht einiger Paare, die sich von Zwangsmoral hinsichtlich Sex und Ehe weitgehend freigemacht haben. Sie stellen darin u.a. sehr überzeugend und sehr offen dar, wie es dazu kam und wie sie und ihre Kinder dadurch gesünder in sehr stabilen und glücklichen „Lebenspartnerschaften“ leben. Wer diesen Bericht (80 Seiten DIN A5) lesen möchte, kann ihn bei mir zur kostenlosen Übersendung durch die Post anfordern. Wer besonders fair sein will, kann dafür einen frankierten Freiumschlag DIN C4 an meine Anschrift, Günter König, Tristanstrasse 20, 14109 Berlin, senden.
Liebe Hannelore, wenn alle danach streben, dass sich die gegenseitigen Egoismen ergänzen, neudeutsch Win-Win Situationen, dann ist das ok auch ohne Reziprozität. Wenn allerdings Einseitigkeit Herrschaft aufbaut, dann hat der Einzelne das Recht sich zu befreien, zu distanzieren usw..
Schöner Post, danke
Liebe Hannelore, wenn alle danach streben, dass sich die gegenseitigen Egoismen ergänzen, neudeutsch Win-Win Situationen, dann ist das ok auch ohne Reziprozität. Wenn allerdings Einseitigkeit Herrschaft aufbaut, dann hat der Einzelne das Recht sich zu befreien, zu distanzieren usw..
Schöner Post, danke
Liebe Hannelore, wenn alle danach streben, dass sich die gegenseitigen Egoismen ergänzen, neudeutsch Win-Win Situationen, dann ist das ok auch ohne Reziprozität. Wenn allerdings Einseitigkeit Herrschaft aufbaut, dann hat der Einzelne das Recht sich zu befreien, zu distanzieren usw..
Schöner Post, danke
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Lustig, Herrn Königs Kommentar: „Wer besonders fair sein will…“, der gibt mir was zurück für mein Geschenk 😉