Egalitäres Wohnen bei westafrikanischen Stämmen

Verglichen mit den egalitären Kreissiedlungen erzeugen die für weite Teile Westafrikas typischen Gehöftsiedlungen einen recht unübersichtlichen und unstrukturierten Eindruck. Sie sind über die Landschaft gesprenkelt wie Sommersprossen übers Gesicht.

Gründe für diese Form der Besiedlung sind neben der geringen Ertragsfähigkeit der Böden, die einen gewissen Mindestabstand zwischen den Gehöften erzwingt, die grosse Unabhängigkeitsliebe der westafrikanischen Gesellschaften.

Die soziale und politische Struktur der segmentären Gesellschaften* Afrikas beruht auf einem [seit der Kolonialisierung] patrilinearen Abstammungssystem und weist außer den Ungleichheiten des Alters und Geschlechts kaum soziale Hierarchien auf.

Das zeigt, dass Patrilinearität keineswegs mit Herrschaft und Hierarchie einhergehen muss!

Typisch für diese egalitären Siedlungsstrukturen sind die subsistenzwirtschaftenden (selbsstversorgenden) Gehöfte der Mossi, Nabdam und Tallensi. Entsprechend ihrem hierarchiefreien Charakter entsprechen die Wohneinheiten regulierter Anarchien* sich selbst organisierenden Gesellschaften im Kleinen.

Sie sind autonome Lebens- und Arbeitszusammenhänge, die selbst ähnliche Sprösslinge abspalten können, wenn es sozial oder politisch erforderlich wird. Eben das führt zu einer weiten Streuung der einzelnen Gehöfte.
Deren Errichtung ist die gemeinschaftliche Leistung der zukünftigen Bewohner und ihrer Verwandtschaft. Dabei sind die Aufgaben entlang der Geschlechterlinie geteilt.

Die Männer bauen die Mauern und die Dächer, während die Frauen für die abschließende Oberflächengestaltung zuständig sind. Letztere verputzen, ritzen und bemalen die Wände mit symbolträchtigen Mustern.
Diese Muster auf den Wänden sind Symbole, die wir ganz genauso z.B. bei den Berbern in der Kabylei (Algerien) oder den Hopi (Nordamerika) finden.
Das ist kein Zufall, sondern die Symbolik verdeutlicht die Weltanschauung indigener Gemeinschaften, die überall auf der Welt die gleiche ist und sie wird von den Mitgliedern verstanden, so wie wir ein Verkehrs-Schild verstehen.

Die Gehöfte der Tallensi verteilen sich weniger gleichmässig über die Landschaft.
Sie drängen sich zu Füssen von Hügeln und breiten sich von dort mit abnehmender Dichte weiter aus. Denn es befinden sich die für den politisch-sozialen Zusammenhang wichtigen Ahnenschreine auf den Hügeln.
Wann immer es möglich ist, werden neue Gehöfte in der Nähe des Lineage-Ältesten angelegt.

Ahnenschreine symbolisieren sowohl die große Unabhängigkeit der Gehöfte als auch ihre gleichzeitige Verbundenheit zum Lineagesystem, das die gesamte Gesellschaft integriert.

Vor dem Eingang befinden sich die Ahnenschreine, die spirituellen Wächter des Gehöfts (siehe Bild).
Der Torweg ins Innere symbolisiert ökonomische Unabhängigkeit.

+++

Weitere Details und welche Auswirkungen diese Bauweise auf die Kinder hat, steht im vollständigen Artikel mit zusätzlichen Bildern.

*Segmentäre Gesellschaft (nach Emile Durkheim) und Regulierte Anarchie (Max Weber, Chr. Sigrist) sind Ausdrücke der Ethnologie und Kultur-Soziologie.