Die dunkle Seite der deutschen Besessenheit von der Indianerkultur Nordamerikas

Winnetou auf einer Briefmarke (1987) der Deutschen Bundespost. Die Abbildung entspricht der aktuellen Darstellung auf dem Buch Winnetou I (Karl May’s Gesammelte Werke, Band 7)

RTL hat Karl May neu aufgelegt. Winnetou (UT: Der Mythos lebt) ist ein dreiteiliger Fernsehfilm frei nach den gleichnamigen Abenteuerromanen von Karl May, dessen Veröffentlichung zwischen Weihnachten und Silvester 2016 war.

Gastbeitrag von Michael Fenz1

Karl May hat wie kein anderer das Bild, das wir Europäer von „Indianern“ im Kopf haben geprägt und damit die Wahrheit, oder sagen wir die Geschichte wie sie von den Betroffenen selbst erlebt und berichtet wird, nachhaltig überdeckt.

Er hat dabei seine eigenen Fantasien als Wahrheit ausgegeben und auf ein Volk projiziert, dass sich sehr gegen diese Darstellung wehrt. Wahrscheinlich kann man jeden 10-jährigen heute bitten ein Bild von einem Indianer zu zeichnen und es würde sehr ähnlich aussehen wie Winnetou…

Die Karl May Romane werden ebenso wie frühe Westernfilme und Comics innerhalb der indigenen Gemeinschaften als stark rassistisch und vorverurteilend wahrgenommen.
Vieles, das in den Romanen beschrieben wird, hat nichts mit der Realität zu tun; es gab weder Marterpfähle, noch würde ein Apache in einem Tipi (das er Wigwam nennt) wohnen, auf hottentottisch zählen, eine Tracht aus Versatzstücken nördlicher Bisonjägerkulturen tragen und schon gar keine Skalps nehmen oder „Blutsbrüderschaft“ schließen.

Jagd der Regierung auf Indianer-Scalps

Es waren die Regierungen der USA und Kanadas, die Belohnungen für Skalps der Indigenen ausgelobt haben, nicht umgekehrt! Die Regierung in Massachusetts lobte 250 bis 300 Pfund für einen Skalp aus. Zum Vergleich: Ein Grundschul-Vorsteher verdiente 120 Pfund im Jahr!

Diese Tatsache erscheint uns heute völlig unglaublich zu sein, gerade weil uns Abenteuerliteratur vom Schlage Winnetou doch immer das Gegenteil berichtet hat.

Jedem von uns würde eine Darstellung eines Schwarzafrikaners mit den Worten „uga-uga“ als rassistisch erscheinen; „hugh“ wird von Natives genauso empfunden, ebenso wie das „Kriegsgeheul“ durch Schlagen auf den Mund.

Es ist sicherlich richtig, dass hier vordergründig eine Freundschaftsgeschichte erzählt wird, allerdings wurde als Projektionsfläche eine Volksgemeinschaft gewählt die tatsächlich bis heute existiert und um ihr Überleben kämpft. (Anders als die Piraten oder Ritter in vergleichbaren Abenteuerromanen.)

Problem für die heutigen Ureinwohner

Es ist die Romantisierung durch derartige Werke, die für heute lebende indigene Gemeinschaften ein großes Problem darstellt.

Seit Jahrzehnten wird versucht das Bild, dass europäischstämmige Autoren geprägt haben richtigzustellen.
Indigene in den Amerikas sind heute die Gruppe mit der geringsten Lebenserwartung, den geringsten Bildungschancen, oft ohne Wasserversorgung oder anständige Unterkünfte.

Sie sind immer noch Ziel eines institutionalisierten Rassismus und oftmals gelten für sie nicht einmal die Menschenrechte.
Kanada erfüllt mit seiner Politik die UN-Definition von Genozid bis heute; bis weit in die 70er waren Zwangssterilisationen gang und gäbe…

Diese Wahrheiten werden immer noch überdeckt von Fantasiedarstellungen, so sehr, dass wir sie nicht hören können.
Ich zitiere einen Betroffenen:

„As an Apache from the Southwest USA, I’m very offended at Karl May’s depictions of Apaches in his books which are all based on fantasy but we’ve had German tourists who actually believed those stories! Recently I saw photos of Germans dressed as Natives and that cultural mis-appropriation is also offensive to Native people. There’s a lot that you can learn and share with Europeans about our tribal nations.“2

Das Karl-May-Museum in Radebeul bei Dresden hat Zukunftspläne: „Wir wollen das große Erbe Karl Mays weiter bewahren.“ Sag uns deine Meinung dazu im Kommentar.

  1. Michael Fenz auf Facebook []
  2. Almost every European country has at least one Native American-themed establishment. But Germany is overrun with fanciful and cheesy Wild West-themed clubs, bars and recreation towns. There’s the Old Texas Town in Berlin, the Cowboy Club in Munich, and dozens of other towns and powwows every year where Germans take Native American names, sleep in teepees, and chase each other about, drinking firewater and dressed as Apaches or Comanche. By one count, at least 40,000 Germans were dues-paying members of at least 400 Native American clubs nationwide. And tens of thousands of Germans flock to America, too, just to visit Old West museums—so much so that Texan tourism officials cater directly to the German market these days. It’s a love so deep, enduring, and mystifying that it prompted Case Western Reserve University to host an entire academic conference on the phenomena back in 2012. Mehr dazu []

9 Kommentare

  • Kumi

    Mein Sohn – ein Buchhändlerinnenkind – fragte mal vor ein paar Jahren, als er zum ersten Mal »Winnetou« las: »Mama, hat das ein Kind geschrieben?« und brachte damit das Werk von Karl May mit wenigen Worten auf den Punkt:

    Infantile Sprache, platte und unrealistische Figuren, platte Geschichten. Belangloser Scheiß also.

    Aber es gab halt nicht viel Anderes für die abenteuerlustige deutsche Durchschnittsjugend als Karl May – für die Feinschmecker allerhöchstens Jules Verne –, so gehört nun das Toast Hawaii unter der Literaten zu Deutschland wie Bier, Volkswagen oder Döner.

    Also kann man May ruhig nochmal auflegen, selbst wenn es Mist ist. Schließlich wird ja auch regelmäßig Pilcher zwischen zwei Buchdeckel gekackt.

    Oder Coelho.

    • Hannelore Vonier

      Danke, Kumi! Und wie nachhaltig dieser „belanglose Scheiß“ wirkt, kenne ich aus eigener Erfahrung: ich erinnere die Namen der Protagonisten, der Schauspieler, der Pferde, der Waffen usw. und das ist bei mir 50! Jahre her. Und vom Indianer-Bild in den Köpfen der Bevölkerung ganz zu schweigen…

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  • Uwe

    Wenn man Karl May erwähnt, muß man meiner Meinung nach auch Liselotte Welskopf-Henrich erwähnen, die sich etwa ein Jahrhundert später mit den Dakota beschäftigt hat. Ihre Romanserien „Die Söhne der Großen Bärin“ und „Das Blut des Adlers“ sind deutlich mitfühlender und informierter als die Bücher von Karl May und waren/sind in Ostdeutschland mindestens ebenso populär. Die Bücher schaffen meiner Meinung nach eine echte Verbindung zum Schicksal der Dakota und anderer Indianerstämme der Plains, wo Karl May von seiner Gefängniszelle aus nur eine glorifizierende Sicht möglich war.
    Wo Karl May vom Hörensagen und aus der kololialistischen Sicht seiner Zeit heraus geschrieben hat, hat Liselotte Welskopf-Henrich Reisen zu den Dakota unternommen und ihre Lebensverhältnisse direkt kennengelernt.

    Also die Glorifizierung der „Indianer“ kann man wohl als Produkt des 19. Jahrhunderts (von daher stammt ja auch die Glorifizierung anderer Kulturen wie der Südsee-Mythos) ruhig in die Tonne kloppen… Allerdings ist die Indianerliteratur deutschsprachiger Autoren auch Ausdruck von echtem Interesse und daher eine positive Kraft, auch wenn sie viele Bilder enthält, die heutigem Realitäts-Check nicht mehr standhalten oder im Falle von Karl May, schlicht erfunden waren.

    Das Thema Glorifizierung und deutsche Indianerklubs wurde auch hier ausgiebig diskutiert: http://288051.forumromanum.com/

    Und ich finde, es gibt noch eine tiefere Verbindung für das ausgiebige Interesse Deutscher an den „Indianern“: Von der Einwanderung in den mittleren Westen und Westen der USA waren zeitweise bis 70% Deutsche, d.h. wir waren als Kultur auch indirekt an den Indianerkriegen und der Ausrottung der Ureinwohner im 19. Jahrhundert beteiligt. Ich denke, das spüren auch viele Menschen bei uns und wollen etwas gut machen.

  • Michael Schenk

    Der Indianer im Wandel der Zeiten
    Wie problematisch der Umgang mit den Wahrheiten um die indianischen Stämme ist, kann man durchaus auch an den Verfilmungen Hollywoods betrachten.
    Für viele Jahrzehnte war der Indianer der Wilde und das blutsaufende Monstrum, welches vorzugsweise blonde Sielderfrauen bedrohte, die dann von der ruhmreichen US-Cavalry gerettet wurden. Nur wenige Filme zeigten ein differenzierteres Bild der indianischen Stämme. Filme wie „Das Wiegenlied vom Totschlag“ und „Little Big Man“ begannen dieses Bild umzudrehen und in das andere Extrem zu verkehren. Die Wahrheit liegt jedoch, wie üblich, dazwischen und ist von vielen Grauschattierungen geprägt.
    Dare Bald Eagle, ein Häuptling der Lakota, sagte mir einmal: „Die Weißen waren einfach bessere Killer als wir“. Heute ist es schick und politisch korrekt, die Native Americans als die unschuldig Verfolgten darzustellen. Und niemand kann guten Gewissens leugnen, wie viele Verträge ausschließlich durch die Weißen gebrochen wurden und welches Unrecht man den Indianern zufügte. Aber nicht alle Weißen waren schlecht und nicht alle Indianer gut.
    Die Bezeichnung des Kriegers stammt vom Wort Krieg ab und den indianischen Krieger gab es schon lange, bevor der erste Weiße seinen Fuß auf nordamerikanischen Boden setzte. Was die Anhänger der NA gerne verschweigen ist die unrühmliche Tatsache, dass es unter den Indianern einen ausgeprägten Rassismus gab. In Filmen wie „Der Mann, den sie Pferd nannten“ und „Little Big Man“ wird dieser sogar indirekt erwähnt. Die verbündeten Stämme der Cheyenne und Lakota bezeichneten sich nämlich als Menschenwesen. Damit ist nicht die Zugehörigkeit zu den Menschen gemeint, sondern ein elitären Menschentum. Alle anderen indianischen Stämme waren nämlich keine Menschenwesen und minderwertig. Heute beklagen indianische Aktivisten, die Weißen hätten ihnen verboten, sich als Menschenwesen zu bezeichnen. Indianistikfans beklatschen dies als Beweis für die besondere Grausamkeit der Weißen. In Wirklichkeit ging es jedoch darum, dass sich Cheyenne und Sioux nicht mehr als AUSSCHLIESSLICHE Menschenwesen bezeichnen durften. Auch die anderen verachteten Stämme, wie z. B. die Crows, waren und sind ja schließlich Menschen. Wer meine Aussage anzweifelt, sollte sich mit der Stammesvertretung der Nez Percé in Verbindung setzen. Sie waren ja in den Augen der Lakota keine Menschenwesen und minderwertig. Als die Nez Percé unter Chief Joseph die Flucht nach Kanada antraten und dann von dem Indianerhasser Miles gestellt wurden, konnte eine kleine Grupper der Nez Percé zur kanadischen Grenze entkommen. Unter den zwölf Personen auch Frauen und Kinder. Ein alter Krieger und eine Hochschwangere überlebten die Begegnung mit einer Gruppe Lakota, welche die Nez Percé an der Grenze abschlachtete, weil die Nez Percé es nicht wert seien, im Land der Großmutter zu leben.
    Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich will in keiner Weise das Unrecht kleinreden, dass man den Natives zufügte, aber es widert mich an, mit welcher Scheinheiligkeit diese heute ihre Selbstdarstellung als ganz unschuldigen Opfer betreiben und wie unkritisch dies heute angenommen wird.
    Kaum jemand interessiert sich heute noch für den Ursprung des Wortes „Apache“. Es ist vom Hopi-Begriff „Apachu“ abgeleitet, welches „Feind“ bedeutet. Man darf also darüber nachdenken, warum friedliebende und ackerbaubetreibende Puebloindiander die Apachen mit diesem Wort bedachten.

    • Viel zu lang, um auf jeden Aspekt einzugehen. Aber ein ‚Krieger‘ ist kein Soldat. Siehe dazu die Definition von Krieger auf kriegerschule.de Dort bilden sich nach ursprünglich indianischem Vorbild in Deutschland Krieger aus. Man muss auch die Epochen beachten. Manche Stämme wurden so von den patriarchalen Weißen vereinnahmt (in Zwangs-Schulen zB.) und ihrer eigenen Kultur beraubt, so dass diese sich im Laufe der Zeit bis heute wie amerikanische Weiße verhalten. Sie kennen den „Alten Weg“ nicht mehr. Diese darf man nicht mit den Nativen verwechseln, die noch traditionell leben.

      • Michael Schenk

        Hallo Hannelore, die von dir angeführte „Kriegerschule“ greift ausschließlich den spirituellen Bereich auf und geht am Zweck des Kriegers/Kämpfers vorbei. Das klingt ein bisschen, als wolle man den Begriff Krieger mit dem „Kampf gegen den inneren Unglauben“ definieren. Bei den Huronen gab es diesen spirituellen Bereich des Kriegers nicht, er war für den Krieg bestimmt. Bei den Delawaren würde ich das stärker differenzieren. Für die späteren Präriestämme und die Stämme der Apachen gilt jedoch definitv der Krieger als „Kriegsmann“, der gegen den Feind antrat. Dass sie dabei auch ihre spirituelle Seite hatten, ist ja unbestritten. Doch letztlich hatte der Krieger nun einmal die Funktion des tötens. Nicht jeder indianische Mann wollte diesem Weg folgen und ich finde es ein Zeichen der Selbstbestimmung, dass dies innerhalb der meisten Stämme akzeptiert wurde. Ein Krieger konnte auch jederzeit den „Kriegspfad“ verlassen, was ihn von weißen Soldaten unterschied. Bezüglich der Definition „Krieger“ finde ich auch die Symbolik der „Federtracht“ bei den Cheyenne und Lakota sehr bezeichnend. Davon abgesehen fände ich es gut, wenn sich alle Krieger dieser Welt eher der spitituellen Seite zuwenden würde, die in der Kriegerschule.de angeboten wird.

  • Uwe

    Das sind gute Punkte, Michael. Es war ein Krieg und es gab weniger und stärker kriegerische Stämme. Vielleicht hätte man einen Teil der Konflikte vermeiden können, wenn den Stämmen genügend ihres ursprünglichen Landes zugestanden worden wäre, anstatt sie in Reservationen zu verfrachten. Aber der grundlegende Konflikt besteht zwischen der europäischen Sicht von „Wildnis“, die es zu zähmen gilt – eine Sicht auf die Natur vom Standpunkt des Ackerbaus aus – und der freien Bewegung der von Jagd lebenden Stämme in der Natur. Dieses kulturelle Problem besteht ja heute noch.
    Ein Teil des Problems kommt daher, dass unsere Ernährung größtenteils auf einjährigen Pflanzen beruht – Gräser. Die sind Pionierpflanzen und sie wachsen auf gestörten (freigelegten) Böden. Die weltweite und industrialisierte Ausbreitung dieser Methode führt inzwischen dazu, dass überall massiv die Böden zerstört werden. Da könnten wir einiges von den nord- und südamerikanischen Ureinwohnern lernen, von denen einige Völker verstanden haben, wie man Landwirtschaft mit vollständigen Ökosystemen betreibt! Wälder sind viel produktiver als Felder…

  • Michael Schenk

    Hallo Uwe, ich muss dir (leider) zustimmen, auch wenn ich befürchte, dass unsere wachsende Erdbevölkerung, die Wegwerfmentalität und die vorsätzliche Benachteiligung des Bio-Anbaus, durch Normen der EU-Kommission (basierend auf „Beratungen“ der Lebensmittelgroßkonzerne), kaum eine andere Möglichkeit lassen, als auch die Felder zu benutzen. Von zweien der alten Pueblo-Stämme weiß man inzwischen, dass sie aufgrund des eigenen „Raubbaus“ ausgestorben sind. Der eine Stamm fällte, für den Pueblobau und Feuerholz, mehr Bäume als nachwuchsen, der andere Stamm hatte eine wachsende Population und gab den Ackerböden keine Zeit, sich zu erholen, so dass sie auslaugten und der Stamm schließlich verhungerte. Wir könnten von den Naturvölkern so verdammt viel lernen, selbst sogar aus unserer eigenen Geschichte der Misswirtschaft, aber das hier und jetzt scheint mehr zu zählen, als das später.