Generationenvertrag, der Betrug an den Kindern

Im Corriendo Mondo-Blog steht unter „Woodstock, Loveparade & Co.“ im Zusammenhang mit den Generationen der Blumenkinder und 68ern und deren „verlorene Zukunftsvisionen“ folgendes:

„Es gehört wohl einfach zum Leben dazu, dass der Mensch in jungen Jahren davon träumt, eine bessere Welt zu schaffen und später feststellen wird, dass es nicht geklappt hat. So ein Projekt ist einfach von zu vielen nicht steuerbaren Faktoren abhängig.“

Was mir immer wieder weh tut oder mich wütend macht, ist, dass die zwischenmenschlichen Zusammenhänge nicht gewusst werden. Nicht weil die Leute so blöd sind oder sich nicht bemühen, ganz im Gegenteil, immer mehr sind auf der Suche danach. Dahinter stecken ganz andere Gründe.

Die wichtigen lebensfreundlichen Zusammenhänge können im Patriarchat nicht gewusst werden, weil sie

  • nicht tradiert (bewahrt) werden, falls sie zufällig auftauchen
  • lächerlich gemacht und abgewertet werden
  • oder abgelehnt werden, weil sie zu utopisch oder ungeheuerlich erscheinen

Generationenvertrag, der Betrug

Bei uns ist verkehrte Welt. In unserem Generationenvertrag fordern die Alten von den Jungen (Rente, Pflege, Zuwendung usw.). Wenn junge Menschen beginnen auf eigenen Füßen zu stehen, beginnen Traditionen und Werte zu hinterfragen und für sich neu zu definieren, beginnen ihr Leben zu gestalten, sollen sie Zeit, Aufmerksamkeit und Geld geben, anstatt sie zu empfangen, falls sie sie brauchen.

Obendrein wird noch erwartet, dass jüngere Generationen die Vergangenheit in die Zukunft verlängern indem sie alte Anschauungen verinnerlichen und leben. Das ist kein Fortschritt, sondern Betrug an den Nachkommen. (Die wir Älteren selbst auch mal waren.)

Dabei haben die Jungen in den Alten nicht mal ein Vorbild, dem sie innerlich zustimmen könnten. Also stehen sie in Opposition zu den Alten.

Je jünger ein Mensch ist, desto mehr hat er oder sie ein Gefühl für Stimmigkeit, Menschlichkeit, Lebendigkeit. Je älter wir werden, desto dicker ist unser Fell, desto abgebrühter, desto unlebendiger sind wir. Und stehen damit automatisch in Opposition zur Opposition der Jugend.

Wie es bei indigenen Völkern aussieht

Die Ältesten sind höchste Autorität, aber nicht weil sie auf diesem Pöstchen sitzen, sondern weil sie Erfahrungen gesammelt und Weisheit errungen haben, die äußerst wertvoll für die nachkommenden Generationen sind. Die nun Ältesten wurden ihrerseits während ihres ganzen Lebens von den Älteren und Alten ihres Stammes unterstützt.

Generationenvertrag im Patriarchat

Druck von oben - Widerstand und allmähliche Selbstaufgabe von unten.

 

Generationen bei indigenen Völkern

Wachstum von innen nach außen - Unterstützung von außen nach innen.

Auf den beiden Bildern handelt es sich jeweils um vier Generationen: Kinder, Erwachse, Alte, Ahnen. Der 4. Teil liegt im Dunkeln, Unsichtbaren, außerhalb der Materie, naturgemäß. Im ersten Bild bedeutet dunkel „Finsternis“, Abwesenheit von Licht, im zweiten „unsichtbar, geistig“.

Naturgemäß heißt: entsprechend den Erscheinungen der Natur.

Beispiele:

  • 4 Mondphasen, der Neue Mond ist unsichtbar
  • 4 Himmelsrichtungen, Norden liegt im „Dunkeln“, beziehungsweise von den Tages-Phasen des Sonnenlaufs, Morgen, Mittag, Abend, Nacht liegt der 4. Teil im Dunkeln.
  • 4 Wachstumsphasen im Jahr, der Winter ist die „dunkle Jahreszeit“.
  • 4 Generationen: Kindheit, Reife, Alter, Ahnen; letztere sind unsichtbar1. Die dunkle Zeit der Ahnen reicht vom dunklen unterirdischen Grab bis zur Wiederkehr in den dunklen Bauch der Schwangeren vor der Neugeburt.

Glücklicherweise wird die Linearität des Patriarchats von immer mehr Menschen durchbrochen – teilweise unter großen Anstrengungen. Viele geben den „Druck nach unten“ bei ihren Kindern auf, so wie Johanna bei ihrer Tochter die Fernsehbeschränkungen aufgibt – „Unabhängigkeit vom TV-Programm“ – und alle Beteiligten Freiheit gewinnen.

Wachstum ist nur möglich durch die Unterstützung der Erfahrenen, Wissenden und der „geistigen Führung“ (nicht mit Gurutum zu verwechseln).

Kleine Kinder unterstützen Babys in ihrer Entwicklung, indem sie sie herumtragen, größere Kinder helfen jüngeren, Jugendliche den Kleineren, Erwachsene unterstützen alle Nachkommen der Gemeinschaft, indem sie für alle Kinder eine Anlaufstelle bieten, und die Bedürfnisse, die die Kinder signalisieren, befriedigen.

Die Ältesten stehen den gereiften Männern und Frauen mit Rat und Führung bei, und die ganz Alten wenden sich an die Ahnen und Nicht-Ahnen in der Geist(er)welt, weil auch sie Rat und Unterstützung bei den letzten Schritten zur Erfüllung ihrer Lebensaufgaben benötigen.

Das ist ein Generationenvertrag nach meinem Geschmack!

  1. Im frühen Patriarchat wurden die Ahnen in das Götter-Pantheon verschoben; der heutige Vatergott in den Großreligionen ist ein künstlich aufgeblähtes, allgegenwärtiges Überbleibsel davon. []

6 Kommentare

  • Heinrich Elsigan

    Ich finde diesen Artikel sehr treffend, wenn
    auch ein klein wenig überzeichnet. Aus verschiedenen Erfahrungen nehme ich im
    Moment bei manchen Männern ab 60+ verschiedene Veränderungsmöglichkeiten wahr:

    Während manche (vielleicht auch hormonell bedingt) sonnige (empathische) bzw.
    ruhig gesellige und kindlichere Eigenschaften verstärken und Hierarchie eher
    ablegen, werden andere starrer unflexibler, dominanter und rechthaberischer.
    Partnerinnen der letzteren sind meist fähig und haben erstaunliche Skills,
    während der ‚unflexible‘ Mann rein autoritär agiert. Seine Kommunikation wird
    oft immer mehr stereotyp.

    Frage: Wie lässt sich das aushebeln?

    •  Danke für deinen Kommentar, Heinrich. Ich muss erst drüber nachdenken, wie ich deine Frage beantworten will. Gibt mehrere Ansätze.

    • Heinrich, mit 60, 65 gehen Männer in den Ruhestand, manche auch schon früher. Zum ersten Mal in ihrem Erwachsenenleben sind sie nicht den Zwängen des Systems verpflichtet. Kampf, Wettbewerb, rat race, ade!
      Nun kann sich die wahre Persönlichkeit eines Menschen zeigen. Und hier scheiden sich auch die Geister: systemkonform oder nonkonform.

      Traditionalisten werden entsprechend ihrer Charakterstruktur und ihrem Glaubenssystem obrigkeitshörig bleiben und autoritär handeln. Das sind diejenigen, die „viel Staat“ wollen. Die anderen, die nun unabhängig von den Forderungen des Berufs endlich offen und eigensinnig leben können, werden sich weitgehend von staatlicher Vormundschaft befreien.

      An der Unverträglichkeit dieser beiden Positionen lassen sich sämtliche Probleme unserer Gesellschaft festmachen. Die autoritäre Anschauung ist lebensverneinend und starr, die andere lebendig und freiheitssuchend. (Die Skala reicht dabei vom Faschismus bis zur Anarchie.)

      Deine Frage hat mir verdeutlicht, dass im Alter das männliche Geschlecht wohl anders betroffen ist als das weibliche. Interessant.
      In ein paar Jahren werden die Bereiche Arbeit und Freizeit miteinander verschmelzen, besonders durch die (soziale) Vernetzung.

      Eine Antwort, wie sich das aushebeln lässt: Unsere Zwänge erkennen und bewusst machen, anstatt sie zu bedienen, zu verstärken und an die Kinder automatisch weiter zu geben. Aber auch wenn die breite Masse diese Bewusstseinsarbeit nicht leistet – das Internet beeinflusst die Leute trotzdem in dieser Richtung, ohne dass sie das wahrnehmen.

      Darum geht es auf diesem Blog („Vom Patriarchat zu Web 2.0“ steht oben.). Am krassesten sieht man den Unterschied noch in der Spaltung der Internetgemeinde, wenn es um „Datenschutz“ geht. Die eine Hälfte der Nutzer macht ihre Daten prinzipiell für alle zugänglich, die andere Hälfte hat Angst, Persönliches preiszugeben.

      In den jungen Generationen ist das schon kein Thema mehr. Kinder haben nichts zu verbergen und erzählen buchstäblich alles ihren Freunden. Dieses Sozialverhalten ist auch typisch für indigene Völker, die noch nicht von Weißen korrumpiert wurden.

      „Geheimniskrämerei“ ist patriarchal – und am Verschwinden …

    • Muxas

      könnte sein so sein. Doch ich gelube nicht, dass dies im Alter ein geschlechtsspezifisches Verhalten ist. Zumal in älterem Lebensabschnitt, die hormonelle Unterscheidung zwischen mänlichem und weiblichen Verhalten nicht mehr so dominierend ist. Ich finde es ist mehr ein soziales Denkschema nach dem Moto, ich bin jetzt alt, hab viele Jahre gearbeitet, nun gönne ich mir was. Was machen denn die ältern Jahrgänge, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind? Haupsächlich Konsum, sogenannte Vergnügungen wie reisen, essen gehen usw. – sofern sie es sich leisten können. Wohlgemerkt, das machen nicht alle so, doch der Großteil.
      Nichts gegen den Ruhestand ab 60 -65 , doch wenn man für seinen Lebensunterhalt nicht mehr sorgen muss  / braucht, und fit ist, könnte man auch einen Teil seiner Zeit für notleidende, kranke oder überarbeitet Menschen einbringen. Oder einfach was Gutes für die Menscheheit tun.
      So kann man noch viel sinnvolles tun und Zufriedenheit und Glück finden.

      • Ich bin mit 50 in den Ruhestand gegangen und habe die ersten 10 Jahre nichts anderes gemacht als gelernt. Mich mit Dingen beschäftigt, für die ich vorher keine Zeit hatte. Ich sorge für mich und mein Glück.
        Wenn das jeder tun würde, hätten wir keine Probleme, sondern Aufgaben.

        Ich bezweifle, dass man für andere etwas tun kann. Die christlich-missionarische Sicht, dass Leute für „notleidende“ zu sorgen hätten ist verlogen, weil ohne das Christentum mit seinen Unterdrückungsmechanismen Not und Krankheit in dieser Form gar nicht vorhanden wäre.

  • Anonymous

    Ich weiß nicht, ob wir uns an der Vergangenheit und Kulturen orientieren können, die mit unserer Welt nicht mehr viel zu tun haben. Wir können das Rad nicht zurückdrehen, müssen aber trotzdem die Zukunft gestalten.

    Die spannende Frage ist, wo man da den Hebel ansetzen kann, um das gesamte System umzupolen. Gibt es einen Hebel, gibt es einen Punkt, an dem man den Hebel ansetzen kann, und wenn ja, in welche Richtung soll das System dann laufen?

    Bis vor wenigen Wochen hätte ich nicht geglaubt, daß es einen Hebel und einen solchen Punkt und daß jemand ganz klar die Richtung beschreiben könnte, in die das ganze System laufen soll, wenn man in die Lage kommt, den Hebel anzusetzen. Jetzt glaube ich, daß man nur noch dafür sorgen muß, diese Lage herbeizuführen.

    Meine Beiträge unterschreibe ich seither mit

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Bandbreitenmodell eingeführt werden muß, und zwar global.http://de.wikipedia.org/wiki/Ceterum_censeo_Carthaginem_esse_delendamhttp://www.bandbreitenmodell.de/vision

    Die schöne neue Zukunft, die möglich ist, muß natürlich ausgefüllt werden. Die Entwicklung des Menschen ist damit längst nicht zu Ende.