Selbstregulierte Kinder

Selbstregulierte Kinder

Neurotische Mutter, neurotisches Kind

Auf Facebook habe ich an verschiedenen Diskussion teilgenommen, die ich hier auszugsweise wiedergebe:

Jesper Juul1: Ich habe mal einen Essay geschrieben: Wollen wir wirklich starke und gesunde Kinder? Ich treffe sehr wenige Eltern, die das wirklich wollen […]. Die meisten wollen genau die gleichen Kinder wie meine Eltern: Kinder, die nett und süß und höflich und gehorsam sind. Sie wollen das nur auf eine viel, viel nettere Art erreichen. Und das ist gefährlich.

K.: Ich weiss nicht, wie Ihr es habt. Aber mir ist diese Aussage von Jesper Juul rein, wie ein Messer in die Butter. Grad mit einem trotzenden Dreijährigen finde ich es schwierig, aus diesem Fahrwasser rauszukommen. Denn wenn das Kind gehorcht, ist das Leben schon viel einfacher!
Was mich zu der Frage führt, die N. Aldort zu Beginn ihres Vortrages in Bern gestellt hat: „Wem tu ich mit dem, was ich von meinem Kind verlange, einen Gefallen? Dem Kind oder vielleicht doch eher mir selber?“

A.: auch ich mit dem trotzigen zwei jährigen hatte heute wieder eine willensstarke Auseinandersetzung im Laufhaus vom feinsten… ich habe meine linie aber wehe wenn ich dies in der Öffentlichkeit durchziehe… die blicke… ich will ein starkes selbstbewusstes kind! doch der weg dorthin ist lang, schwer und sehr sehr mühsam…

T.: Mein Mann will eins das gehorcht. Wie rede ich ihm das aus? Er denkt sonst wird das Kind nicht gut enden…

I.: Klar will ich nette, gehorsame, süße Kinder und stark und eigenwillig bitte auch. Irgendwie ist das leider immer etwas schwierig zusammen zu bekommen 🙂

S.: . In unserer zivilisation keine grenzen setzen tut weder einem kind noch dessen eltern gut.

I: In der DDR, aus der ich komme, wurde ziemlich autoritär erzogen. Zumindest habe ich es so erlebt. Ich bin erst mal aus allen Wolken gefallen, als ich erlebt habe wieviel Freiheiten Kinder „hier“ haben. Aus der heutigen Sicht denke ich, die Freiheit war nur vordergründig, Kinder sollen hier oft auch nur funktionieren, inklusive meinen. Meine zehnjährige Tochter Anna wird gerade schwierig. Das begrüße ich, weil ich denke das sie sich noch ein Stück mehr abnabelt, ihren Weg findet und doch merkt man wie sehr sie Ansprache braucht, den Kontakt, Fragen. Was brauchst Du ist eine Frage die ich ihr oft stelle.

K.: Ich bin überzeugt, dass wir uns bei gewissen Dingen, die für uns nicht stimmen, von anderen Kulturen inspirieren lassen, gewisse Dinge sogar übernehmen können. Ich fand es immer sehr befreiend zu erfahren, dass man sich entscheiden kann: Man muss sein Kind nicht so erziehen, wie es die eigenen Eltern und Grosseltern machen oder alle um einen herum, wenn man dabei kein gutes Gefühl hat. Es gibt tausend andere Arten, mit seinen Kindern umzugehen, und sie führen nicht zu Sodom und Gomorrha, wie die „Grenzensetzer“ und weismachen wollen.

Das Umfeld der Kinder ist bevölkert mit ängstlichen Müttern, farblosen Müttern, „vorbildlichen“ Müttern, schikanierenden Müttern, liebenden Müttern, belästigenden Vätern, reizbaren Vätern, betrunkenen Vätern, sorgenden Vätern, mit Eltern, die miteinander um die Vorrangstellung kämpfen, einander ignorieren, einander tolerieren, einander widersprechen, aneinander leiden, zu dem einen nett sind, den anderen hassen, sich mit Trennungsgedanken tragen, oder sich ehrlich achten. Die Rolle der Charaktere ist wesentlich für den Ablauf der Geschichte.

Verbogene Mütter, verbogene Kinder

Es gibt ein weit verbreitetes Phantasiegebilde, dass jede Mutter einzigartig ausgerüstet sei, ihr Kind aufzuziehen. Der Zustand „zivilisierter“ Gesellschaften ist die traurige Antwort auf diesen Traum.

Die meisten Mütter, verbogen von ihren eigenen Müttern, gefangen in ihren Strukturen, sind ebenso wieder Überträgerinnen und verbiegen ihre Kinder. Die meisten Mütter und Väter sind abgestumpfte Eltern. Echte mütterliche Liebe, Liebe mit gesundem Kontakt zu den Bedürfnissen und Stimmungen des Kindes, ist ein seltenes Phänomen.

In den meisten Fällen ist die bisherige Kindererziehung kein Prozess, die sich im Kind entfaltende Natur zu unterstützen, sondern die Persönlichkeit des Kindes so zu formen, bis es mit den Wünschen der Eltern übereinstimmt.

  • Gepanzerte Eltern lehren aus Prinzip die Verfeinerung des „anständigen“ Benehmens: Zwanghafte Beherrschung aus moralischen Gründen (Neurotischer Charakter2).
  • Gepanzerte Eltern erachten ihre Bedürfnisse als ungleich wichtiger als die des Kindes. Sie entscheiden per Erlass und stellen unterschiedliche Verhaltensmaßstäbe für sich und das Kind auf. Sie wollen vom Kind wissen, „warum hast du das gemacht?“
  • Gepanzerte Eltern formen ihre Kinder, das heißt, sie verlangen Konformität auf Kosten von Panzerung und Spontaneität des Kindes. Konformität kann nur erkauft werden und der Preis hierfür ist, auf gewisse Weise abzusterben, irgendwo verformt zu werden.3

Die Formung von Kindern nach dem gepanzerten elterlichen Bild ist das Problem, das die Wurzel einer kranken Menschheit bildet.4 (Wie das konkret aussieht, zeigt das Video unter Stressfreie Zone für Normalbürger)

Folgeschäden von Kontaktlosigkeit

Vor ein paar Tagen hatte ich einen Chat mit einem Kind, das jetzt erwachsen ist. Er fühlt sich von seinen Eltern attackiert durch ihr konformes Weltbild. Er hat Gewaltphantasien, wo er sich verteidigt:

C.:

der klassiker ist… mein vater streitet sich mit mir zu hause und versucht meine seele zu brechen – also mich zu töten… dann raste ich aus vor wut, hass und schmerz, laufe in den schuppen und hole eine axt… kehre zurück ins haus, laufe zielstrebig auf ihn zu und… ob der schlag ihn dann trifft ist von dem abhängig was er mir in den letzten momenten davor an signalen aussendet…

… sie [Eltern] sehen ein das sie einen fehler gemacht haben und reduzieren ihre attacken.

je weniger attacken, desto wohler fühle ich mich..

Ich sage:

sie waren nicht für dich/deine bedürfnisse da

C.:

aber du musst ihnen DAS ja erstmal beibringen, sie glauben ja sie wären da gewesen
meine mutter meint ja, sie wäre für mich da gewesen, weil sie mir immer frische unterwäsche gekauft und butterbrote für die schule gemacht hat…

 

Selbstregulierte Kinder, was ist das?

Basierend auf Wilhelm Reichs Forschungen hinsichtlich der Mutterschaft, war das Prinzip das der Selbstregulation. Das Konzept beinhaltet, dass Mutterschaft ein Prozess des Lebendigseins ist gegenüber den Bedürfnissen des Kindes

  • nach Nahrung (sowohl physisch als auch emotional),
  • nach Anregung und Erziehung,
  • und vor allem nach Schutz der Integrität der Individualität des Kindes.

Morton Herkowitz beschreibt, was Selbstregulation bedeutet:

  • Selbstregulation bedeutet nicht laisser-faire. Laisser-faire ist die Praxis bequemer, nachlässiger, kontaktloser Mütter.
  • Selbstregulation beinhaltet eine aktive und interessierte Beziehung zum eigenen Baby.
  • Die Mutter lauscht und hält Ausschau nach dem Ausdruck des Kindes; dann bestätigt sie ihn.
  • Das selbstregulierte Kind wählt seine Aktivitäten selbst, soweit es dazu fähig ist. Wenn es unglücklich ist, darf es weinen; es wird beruhigt, doch wird sein Weinen weder erstickt noch gestört.
  • Seine Wut wird akzeptiert. Seine Liebe wird erwidert. Seine Ängste werden erkannt und, wenn möglich, gemildert. Wenn es sich so verhält, dass es sich oder andere verletzen könnte, wird es in dem Ausmaß zurechtgewiesen, wie es verstehen kann.
  • Wenn es in dem Alter ist, in dem es die Seiten aus dem Buch, das du gerade liest, heraus reißt, werden die Bücher jetzt aus seiner Reichweite entfernt.
  • Wenn es im Alter von fünf Jahren Seiten aus deinem Büchern reißt, wird es dein Ärger davon überzeugen, dass es dies nicht wieder tun darf. Kurzum, dem Kind wird beigebracht, zwischen Freiheit und Zügellosigkeit zu unterscheiden.
  • Den Verwandten, Nachbarn usw., die das Kind ständig kitzeln oder zum Lächeln ermuntern in dem Versuch, das Kind nach ihrem nichtssagenden Gefallen zu formen, wird zu verstehen gegeben, dass es nicht immer lächeln oder nett sein muss.
  • Manchmal zieht das Kind es vor, nur ruhig da zu sitzen und sie zu prüfen (was sie verunsichert) oder ihnen keine Aufmerksamkeit zu widmen oder düster dreinzublicken, ein mürrisches Gesicht zu machen oder blöd zu sein.
  • Jede Person, die dem Kind erzählt, es sei ein „böser“ Junge/“böses“ Mädchen, weil es irgendeine kindliche Handlung begangen hat, wird verbannt. Schimpft jemand ein Kind dafür, dass es nicht teilt, bekommt er/sie eine Strafpredigt über den fehlenden Altruismus gegenüber dem Kind.
  • Es wird niemandem erlaubt, seine/ihre Vorstellungen von gutem Verhalten dem Kind aufzudrängen.
  • Das Kind wird mit Respekt behandelt und dadurch lernt es Respekt.
  • Wenn das Kind in einem verständigen Alter ist und es die Grenzen akzeptierter Verhaltensweisen „austestet“, wird ihm beigebracht, dass es ebensowenig ein Recht hat, gegen die Freiheit anderer zu verstoßen, wie andere das Recht haben, gegen seine Freiheit zu verstoßen.
  • Manchmal werden seine und die Rechte anderer aufeinander prallen und es wird die Kunst lernen, miteinander auszukommen.

In den meisten Fällen ist die bisherige Kindererziehung kein Prozess, die sich im Kind entfaltende Natur zu unterstützen. Anstattdessen wird die Persönlichkeit des Kindes geformt, bis sie mit den Wünschen der Eltern übereinstimmt.

Wenn wir konsequent den Absichten des Kindes entgegenkommen, erziehen wir das Kind in natürlicher Weise, sich entgegenkommend zu verhalten. In ursprünglich lebenden Gesellschaften ist das der traditionelle Weg des Umgangs mit Kindern.

Gepanzerte Eltern der zivilisierten Gesellschaften lehren aus Prinzip das Raffinement des „anständigen Benehmens“. Daher sind selbstregulierte Kinder bei uns selten.

Gesunde Eltern halten die Erfüllung der kindlichen Bedürfnisse in der frühen Kindheit für wichtiger als ihre eigene Zufriedenstellung. Sowie das Kind aus dem Kleinkindalter heraus wächst, verschiebt sich das Verhältnis der Bedürfnisse zwischen Kind und Eltern zur Ausgewogenheit.

***

Siehe auch:

 

  1. Jesper Juul, Dänischer Familientherapeut []
  2. Neurotischer Charakter: Der Charakter, der aufgrund chronischer bioenergetischer (sexueller) Stauung entsprechend dem Prinzip zwanghafter moralischer Beherrschung wirkt – Definition von Wilhelm Reich in Baker, 1980 []
  3. Der Prozess der Verformung zur Konformität ist keine hochgestochene orgonomische Theorie, sondern wurde schon in den 1940ern von Margaret Ribble unabhängig von Reichs Einfluss beobachtet. Auch Jesper Juul bezieht sich darauf. []
  4. Morton Herskowitz: Emotionale Panzerung []

17 Kommentare

  • Ruth Sumpffuss

    Das mit der emotionalen Panzerung stimmt mich doch sehr pessimistisch. Es fällt mir unendlich schwer, meine Panzer abzulegen. Ohne Hilfe geht das gar nicht. Ich frage mich, wer außer den Profis (sprich: Therapeuten) mir noch dabei helfen könnte, wo doch ebendiese Panzer dazu geeignet sind, alle Welt von sich abzustoßen und sich den Menschen zu entfremden (wie im anderen Artikel zur Panzerung gelesen)

  • Danke für dein Feedback, Sybille! Das Geschriebene ist da, wo du es verortest. Es kann in den eigenen 4 Wänden, in der Nachbarschaft oder an weit entfernten Brennpunkten beobachtet werden. Die Frage ist: Suche ich nach Lösungen in meiner Reichweite oder außerhalb meiner Einflussmöglichkeiten?

    Wilhelm Reich hat den „Liberalen Charakter“ beschrieben, der sich von den Ketten der jahrtausendelangen Unterdrückung befreien will. Er versucht das mit dem Intellekt, wobei der Kontakt mit dem Kern (Fühlen) aufgegeben wird. Da er/sie die Fühlung mit sich selber verloren hat, versucht der/die Liberale einen Ausgleich zu schaffen, indem er/sie sich mit den Massen verbindet und irrationale Ideen von Bruder-/Schwesterschaft mit Menschen hegt, die er/sie gar nicht kennt.

    Vor der Lösung der eigenen Probleme wird Zuflucht bei der Lösung der Probleme der ganzen Menschheit gesucht.

  • Danke Hannelore für diese Zusammenfassung. Herkowitz kannte ich noch nicht.
    Zum Thema „bedürfnisorientierter Umgang mit dem Kind“ gibt es heute sehr viel Material und zahlreiche Gruppen, Foren, Webseiten im Internet, wo sich Eltern dazu austauschen.
    Im Alltag erlebe ich die Hauptschwierigkeit darin, die Macht, die mir die Gesellschaft über das Kind gibt, nicht zu benutzen. Denn sie ist real: Dieses kleine Wesen ist ein paar Jahre lang vollständig von mir abhängig. Ich kann mit ihm machen, was ich will, es ist mir ausgeliefert. Diese Macht nicht zu nutzen, ist eine tägliche Herausforderung und erfordert ständige Selbstreflektion. Schlimmer noch: Es gibt Momente, wo man sie nutzen muss (Klassiker: Kind läuft auf Strasse oder Kind fasst in Steckdose).
    Eine zweite Herausforderung ist die des Führens. Denn auch wenn wir uns bewusst dagegen entscheiden, die uns gegebene Macht auszuspielen: Als Eltern sind wir die Anführer unserer Gruppe. Wir schauen voraus und wir haben einen grossen Erfahrungsvorsprung auf unsere Kinder. Ausserdem haben wir ein Leben ausserhalb der Elternschaft. Hier erlebe ich im Umfeld der „alternativen Eltern“ eine grosse Unsicherheit und nicht wenige überlassen die Führung der ganzen Gruppe dem Kind. Mit dieser Rolle ist es natürlich überfordert und hier sieht man dann die „tyrannischen Kinder“ von Winterhoff und Co.
    So oder so, es ist ein täglicher Eiertanz und wir lernen und wachsen jeden Tag gemeinsam mit unseren Kindern und hoffen, dabei nicht allzu viel Geschirr zu zerschlagen. Zum Glück sind sie zäh. Ich hoffe einfach mal mit offener, ehrlicher Kommunikation und auch mal zugeben, wenn man selber überfordert ist, oder Fehler gemacht hat, eine andere Art der Beziehung gestalten zu können, als nur die von Autoritätsperson-Untergebenem.

    • Starosczyk

      „Im Alltag erlebe ich die Hauptschwierigkeit darin, die
      Macht, die mir die Gesellschaft über das Kind gibt, nicht zu benutzen.“

      Ich weiss Katharina nicht, wer Du bist und wo Du lebst. Ich
      bin eine Frau, die im Patriarchat lebt und erlebe als Frau das Fehlen jeglicher
      „Macht“ beim Erziehen meines Kindes. Ich kann mich quasi abstrampeln wie ich
      will, das Kind bockt munter weiter! – Und ich finde es gut so, weil die Regeln
      dieser patriarchalischen Gesellschaft, in der ich in Deutschland lebe, lebens-feindlich
      sind! Ich fräue mich für mein Kind, dass es bocken darf (was ich als Kind
      eigentlich nicht durfte). Nun, welche
      Macht habe ich als Frau in Patriarchat nach meinen „instinktiven Überzeugungen“
      mein Kind zu erziehen? Weiß Du, was mein Mann dem Kind vermittelt? Weißt Du,
      wie die „Gesellschaft“ die Kindererziehung vorsieht? Weißt Du…

      Als Eltern “führen“ wir so oder so – ob es uns bewusst ist
      oder auch nicht. Dieses „Führen“ ist auch nicht unbedingt negativ oder positiv.
      Es gibt mehrere Definitionen des Wortes „Macht“ oder „Führung“. Macht als „machen“
      ist real. Real – habe ich manchmal das Gefühl – kann ich lediglich in die Tonne
      hauen!

      Karina Starosczyk

      • Natürlich hast Du Macht über ein (Klein)Kind: Egal ob es bockt oder nicht, Du kannst es zwingen die Zähne zu putzen, du kannst es zwingen in seinem Zimmer zu bleiben, du kannst es zwingen sich an- oder auszuziehen… Du kannst es gegen seinen Willen festhalten, ihm Klapse verabreichen,… Du bist ihm geistig und körperlich um ein paar Lichtjahre überlegen, somit hast Du alle Zwangsmöglichkeiten und Gewaltmassnahmen ihm gegenüber (egal welcher Ohnmacht Du sonst in der Gesellschaft ausgesetzt bist). Das Kind ist im Patriarchat seinen Eltern untertan und die Gesellschaftstruktur mit den isolierten Kleinfamilien fördert das noch mehr, weil innerhalb der Familie die soziale Kontrolle wegfällt. Anders gesagt: Solange ich mein Kind nicht sichtbar verletze, könnte ich ihm Gewalt antun soviel ich wollte, wenn mir das richtig schiene.
        Und willentlich darauf zu verzichten, über „sein“ Kind hinweg zu bestimmen, das ist für mich manchmal eine gewaltige Anstrengung. Weil wenn es „bockt“, kann man entweder warten, bis es den Ausweg aus eigener Bemächtgung gefunden hat oder man kann es einfach unter den Arm klemmen und wegtragen, oder wenn es grösser ist mit Strafandrohungen oder Belohnungsbestechungen dazu bringen, zu gehorchen.
        Dann hast Du noch mehr Macht: Nämlich weitgehend über Deine eigenen Handlungen. Lass Dir nichts anderes einreden! In ganz vielen Bereichen ist es unsere eigene Entscheidung, ob wir etwas mitmachen oder nicht.

        • Katharina, du setzt Macht mit Gewalt bzw. Machtmissbrauch gleich. Das hat Karina sicher nicht gemeint.

          Du hast keine Macht in unserer Gesellschaft, denn du hast keine Wahl. Wer Macht hat, kann sich für oder gegen etwas entscheiden. Du wirst entmachtet und stehst unter dem Druck, dein Kind zu einem ’normalen Menschen‘ zu machen.

          Deine ganze Umgebung bleibt brav in der „stressfreien Zone“. Der Unterschied zwischen normal und frei: http://bit.ly/zi5ab5

        • Starosczyk

          „Natürlich hast Du Macht über ein (Klein)Kind:
          Egal ob es bockt oder nicht…“

          Danke Hannelore, dass Du die Begrifflichkeiten mit „Macht“ und „Gewalt“klar gestellt hast.

          „Das Kind ist im Patriarchat seinen Eltern untertan und die Gesellschaftstruktur mit den isolierten Kleinfamilien fördert das noch mehr, weil innerhalb der Familie die soziale Kontrolle weg fällt.“

          Die Klein-Familie ist leider zurzeit noch eine Tatsache. Wir können aber die Tatsachen mit unserer inneren Kraft doch verändern (lacht etwas in mir…).

        • Wir selbst sind die Gesellschaft, die wir kritisieren. Wir können jederzeit unsere eigene Einstellung dazu ändern und in gewissem Rahmen auch unser Verhalten.
          „Wir können sowieso nichts tun“ ist keine Option.
          Natürlich stösst man damit nicht überall auf Gegenliebe. Na und?

        • Ich sehe sehr viel mehr Marge zum Manöverieren, als Du: Ich kann mich nämlich für oder gegen etwas entscheiden. Für oder gegen Impfungen, für oder gegen Regelschule (wir kauen beispielsweise immer noch an der Entscheidung herum ob Unschooling, Homeschooling oder Regelschule)… Stressfrei ist das nicht. Einfach ist es auch nicht.
          Und nein, ich muss mein Kind nicht „machen“. Er ist seit seinem ersten Atemzug ein Mensch, sicher selber. Da gibt es nichts zu „machen“.

  • Gabriele / Gisa

    Danke, Hannelore, hervorragend.

    Um meinem Mann deutlich zu machen, dass er-ziehen bedeutet, ein Kind aus seiner Position herauszuzerren = den Boden unter den Füßen zu ent-ziehen, musste ich viel Kraft und Überredungskunst aufwenden.

    Wenn das Baby nachts schreit, ist es nicht bösartig. Es hat ein Problem. Mein Job ist es, herauszufinden, welches.

    Wenn ein Kleinkind sich bemüht, nicht nur die Eltern zu kopieren sondern die Welt zu erobern, ist es nicht respektlos. Es ist neugierig. Gierig auf Neues, auf mehr, auf das Leben.

    Wenn ich es liebe, ihm zuhöre, ihm meine Aufmerksamkeit widme; wenn ich Gefahren aus dem Weg räume und seine Aufmerksamkeit umlenke, falls es umbedingt die heiße Herdflamme ausprobieren will; wenn ich mich darauf einstelle, dass hier ein kleiner Mensch bemüht ist, ein großer zu werden – ja, dann wird mich das ein wenig Kraft kosten. Aber da ist auch die Freude, ihn aufwachsen zu sehen. Und zwar so, wie es ihm angemessen ist.

    Deine Tipps und Ratschläge gefallen mir. Morton Herkowitz ist mir neu. Aber auch ich bin nach mehr als 60 Jahren noch neugierig 🙂

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  • Meike

    Hey Katharina, du musst mir unbedingt erzählen, was es mit Unschooling und Homeschooling auf sich hat. Ich dachte nämlich wirklich, es gäbe aufgrund der Schulpflicht keine Wahl in Deutschland. Oder lebst du woanders? Ich würde mein Kind auch nicht gern auf eine Regelschule schicken. Außer vielleicht zur Montessouri-Schule. Liebe Grüße und danke